GESUNDHEITSPOLITIK

Die Zukunftsaussichten sind nicht gerade rosig. Egal, was die Budgets noch hergeben, die nächsten Jahre dürften eher mager werden. Die Wirtschaft kommt nicht vom Fleck, die Budgetdefizite sind höher als erwartet und die gemeinsam vereinbarten EU-Regeln verlangen, dass die Haushaltsdefizite innerhalb der Maastrichtgrenzen bleiben. Die Kassen schreiben trotz staatlicher Unterstützung Defizite und schreien nach Steuermilliarden. Die Zentralisierung der ÖGK brachte keine Ersparnis, de facto aber ein Erliegen der regionalen Lösungsmöglichkeiten. Die Bevölkerung ist zunehmend unzufrieden mit der medizinischen Versorgung, die Anspruchshaltung nimmt zu – getragen von der Einstellung „ich nehm‘ mir, was mir zusteht, und das Beste ist gerade gut genug“.

Leistungserbringer:innen im Gesundheitssystem sind zunehmend bereit, das System zu verlassen, weil sie sich über die fehlende Anerkennung ihrer Leistung ärgern und weil sie ständig für Unzulänglichkeiten gerade stehen müssen, die sie mangels Zuständigkeit nicht mehr ändern können.

Von einer zukünftigen Gesundheitsministerin oder einem Gesundheitsminister erwarte ich mir daher Folgendes:

  1. Die Absicherung des sozialen Gesundheitssystems auf hohem Niveau mit Anerkennung der finanziellen Realitäten. Es ist nötig, nicht mehr Allen Alles zu versprechen, sondern Selbstverantwortung der Patient:innen einzufordern und auch Finanzquellen im Sinne von privaten Zusatzzahlungen (wie z.B. bei den deutschen IGEL Leistungen) zu öffnen, die es ermöglichen, den Ansprüchen der Patient:Innen gerecht zu werden, wenn diese über „das notwendige Maß der Versorgung“ hinausgehen.
  2. Die Anerkennung, dass Regionalität und regionales Reagieren auf konkrete Situationen ein wesentlicher Aspekt der Qualität der Versorgung darstellen. Es ist ein legitimes Ansinnen, das Leistungsangebot österreichweit zu harmonisieren. Wenn damit aber verknüpft ist, dass auf lokale Bedürfnisse keine Antwort gefunden werden kann, ist das ein Rückschritt in der Versorgung.
  3. Die Akzeptanz, dass es keine Pauschallösung für Versorgungsprobleme gibt. Das PVE in Wien löst das Versorgungsproblem im Kleinwalsertal nicht. Zentralisierung und Konzernisierung sind ungeeignet, auf die großen Probleme zu antworten.
  4. Zukunftskonzepte gehören transparent und objektiv auf Effizienz überprüft. Ideologische Spiele haben keinen Platz in Absicherung der medizinischen Versorgung.
  5. Konkrete Umsetzungspläne und detaillierte Ausgestaltung politischer Konzepte vor ihrer Inszenierung in den Medien. Wir haben genug Konzepte gesehen, gelesen und gehört, die nicht mit den Leistungserbringern erarbeitet wurden, sondern bei denen die medienwirksame Platzierung das Wesentlichste war und die dann gescheitert sind.
  6. Einen offenen Dialog mit der Ärzteschaft und ihre Einbeziehung in notwendige Reformschritte. Auch wenn wir gesetzlich nicht mehr zuständig sind für die Versorgungsplanung, wird die Umsetzung aller Konzepte von der Akzeptanz der Leistungserbringern abhängen.

Bei vielen von uns besteht der Eindruck, dass das Gesundheitssystem reformunfähig ist und an die Wand fährt. Nicht zuletzt deshalb marschieren rechte Parteien derzeit durch, weil sie die Illusion erzeugen, dass sie die einzigen sind, die die Kraft und Durchsetzungsfähigkeit haben, notwendige Reformen einzuleiten. Von einer zukünftigen Ministerin oder einem Minister erwarte ich also, dass die Ernsthaftigkeit der Situation nicht bagatellisiert wird und  eine echte Bereitschaft besteht, ein solidarisches und gerechtes Gesundheitssystem abzusichern. Unter Anerkennung der Bedürfnisse der Konsument:innen und der Leistungserbringer:innen.