Gesundheitsreform

Die Finanzausgleichsverhandlungen sind weit fortgeschritten. Fixiert sind die Summen, die vom Bund an die Länder fließen und –  so man den öffentlichen Aussagen der Landespolitiker trauen darf –   sind sie ein Erfolg für die Länder.

Im Gesundheitsbereich haben die Länder jedenfalls das Match gegen die Sozialversicherungen gewonnen. Die Stärkung des niedergelassenen Bereichs ist eine Mähr,  zumindest nicht über zusätzliche Gelder, die zu den Sozialversicherungen fließen werden. Zwar hat die Bundesregierung im Sommer versprochen, zusätzliche 100 Stellen im niedergelassenen Bereich finanzieren zu wollen, die außerhalb des Finanzausgleichs finanziert werden sollen (das wären anteilsmäßig 4 zusätzliche Stellen in Vorarlberg), aber für die weiteren 500 Stellen ist im Finanzausgleich offenbar kein Geld vorgesehen. Die etwa 300 Mio Euro pro Jahr (ohne Valorisierungszusage) will die Sozialversicherung in erster Linie dazu verwenden, einen österreichweiten Gesamtvertrag und einen einheitlichen Leistungs- und Honorarkatalog zu schaffen. Das ist mit dieser Finanzsumme nicht möglich und der Verhandlungsdissens zwischen ÖGK und Finanzministerium besteht offenbar lediglich darin, dass das Finanzministerium eine bundesweite Anpassung der Tarife an das oberste Niveau nicht zugesteht. Die Schaffung von neuen Stellen (die sowohl die Patient*innen in erster Linie als Verbesserung der Versorgung, aber auch die Ärzt*innen im Vertragssystem, die größtenteils über dem Limit belastet sind, dringend benötigen würden) ist offenbar kein Thema. Darauf, was das unter Umständen für unser Bundesland bedeutet, falls es tatsächlich zu einem Umsatzverlust durch eine neue österreichweit einheitliche Honorarordnung für die Vorarlberger Ärzt*innen kommen sollte, haben wir alle Systempartner deutlich aufmerksam gemacht. Ich hoffe, dass sich alle, die an der Systemveränderung mitwirken Ihrer Verantwortung bewusst sind. Einen vertragslosen Zustand will niemand von uns, aber es bleibt uns unter Umständen keine Wahl.

Mit den Begleitgesetzen zum Finanzausgleich soll  die Ärztekammer als Systempartner weiter „kastriert“ werden, so soll ihr u.a.  die Stellenplanung  entzogen werden, es soll der Ärztekammer keine Mitsprache/Rechtsschutzmöglichkeit bei Errichtung von Ambulatorien mehr eingeräumt werden und der Gesamtvertrag soll  von der Sozialversicherung ausgehebelt werden können, sodass sich die Sozialversicherung künftig aussuchen kann, ob Sie über einen Gesamtvertrag mit der Ärztekammer oder über Einzelverträge mit niedergelassenen Ärzten zu günstigeren Tarifen kommt. Der zwischen Kasse und Kammer abgeschlossene ärztliche Gesamtvertrag regelt vor allem die den Kassenärzten zu zahlenden Tarife und Arbeitsbedingungen. Dieser Gesamtvertrag wurde im Jahr 1955 als Gegengewicht zum damals durch das ASVG eingerichteten Monopol der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Man war sich bewusst, dass man keine fairen Vertragsverhandlungen erreichen kann, wenn die Kasse als Monopolanbieter sich jene Ärzte aussuchen kann, die am billigsten für sie arbeiten.
Dieser kollektive Schutz der Kassenärzte soll nun abgeschafft werden.

Ich möchte aber  auch noch auf folgenden Umstand hinweisen: Den Ländern wurde deutlich mehr Geld zugesagt als der ÖGK (603 Millionen pro Jahr mit Valorisierung nach VPI + 2%), das nicht nur für den Spitalsbereich genutzt werden soll, sondern auch für Strukturreformen im extramuralen Bereich verwendet werden soll. Das bedeutet, dass die Versorgung im niedergelassenen Bereich zunehmend in die Hand der Länder und somit in staatliche Strukturen verlegt wird. Die Gesundheitslandesräte sind sich offenbar einig, dass sie diesen Versorgungsbereich verstärkt planen und gestalten wollen. Begonnen hat diese Verstaatlichung des Gesundheitssystems bereits vor langer Zeit und sie bekommt jetzt eine neue Dynamik. Anstatt es den Krankenkassen zu ermöglichen ihre Einnahmen entsprechend den Bedürfnissen über Beiträge anzupassen, macht man das Gesundheitssystem zunehmend von Steuermitteln abhängig und gibt auch die Entscheidungsbefugnisse mehr und mehr in staatliche Befugnis. Vielleicht mag das kurzfristig zur geringfügigen Verbesserung von Versorgungsproblemen beitragen, langfristig bleibt zu fürchten, dass die Leistungserbringer und die Patient*innen mit noch mehr Regulativen und noch mehr zentralen Vorgaben konfrontiert werden.

Eines ist jedenfalls klar, wenn wir als Ärztekammern die Vertretung der ÄrztInnen nicht mehr als Beteiligte in der Planung und Gestaltung des Gesundheitssystems wahrnehmen können, werden wir die Missstände auch dort deponieren, wo man jetzt mehr Macht an sich zieht und den Sozialversicherungen die Gestaltungskraft entzieht. Die Länder und die Zentralplaner werden in Zukunft die Adressaten für Behebung der Mangelverwaltung im Gesundheitssystem sein.