Erstversorgungsambulanz wirft noch einige Fragen auf
SPITALSENTLASTUNG
Die Ausschüttung von Bundesgeldern an die Länder zeigt erste Früchte in Vorarlberg, die erste Erstversorgungsambulanz (EVA) im LKH Bregenz öffnet bald ihre Pforten. Die Eröffnung erfolgt medienwirksam noch vor der Landtagswahl – die Politik setzt damit ein doppeltes Zeichen: Den Spitalsärztinnen und Spitalsärzten will man zeigen, dass man verstanden hat, dass die Ambulanzen entlastet werden müssen; den Wählerinnen und Wählern will man zeigen, dass man für sie die medizinische Versorgung verbessern möchte.
Man wird bald beobachten können, ob die gewünschten Effekte eintreten, insbesondere ob es tatsächlich funktioniert, Strukturen zur Ambulanzentlastung nicht extern, sondern direkt im Spital anzusiedeln. So manche Kolleginnen und Kollegen haben ja bereits angemerkt, dass sich eigentlich nur die Tafeln an den Türen der bisherigen ambulanten Erstversorgungseinheit (AEE) im LKH Bregenz ändern; die Organisationsstruktur im Hintergrund und die veränderten Geldflüsse sind ja keine spürbare Veränderung. Und schon bisher hat es immer wieder das Problem gegeben, die AEE personell so auszustatten, dass die benötigten Dienstzeiten auch tatsächlich abgedeckt werden konnten. So gilt es jetzt also abzuwarten, ob sich genügend Ärztinnen und Ärzte finden, die in der neuen EVA arbeiten wollen.
Es zeigt sich jedenfalls der politische Wille, an den Krankenhäusern neue Strukturen zu schaffen. Diese benötigen nicht nur finanzielle sondern auch personelle Ressourcen – speziell allgemeinmedizinisches Personal, das dem Land dann möglicherweise in anderen Versorgungsbereichen fehlen wird: Schon jetzt können in Vorarlberg einige dringend benötigte Kassenstellen für Allgemeinmedizin nicht besetzt werden. Was auch noch interessant ist: Die enorm defizitäre ÖGK, die ja eigentlich den niedergelassenen Bereich stärken soll, bekommt für den Aufbau solcher Strukturen zwar kein Geld vom Bund, sie bezahlt aber dennoch das Personal dieser EVA.
Was mich aber am meisten dabei irritiert, ist die schon bisher vom Land dazu geleistete Öffentlichkeitsarbeit. Die entsprechenden Medienberichte lasen sich nach dem Motto: Jetzt gibt es etwas Neues im Krankenhaus, das auch für die leichteren Fälle geschaffen wird. Das kann man leicht als Werbung und Einladung an die Bevölkerung verstehen, diese Anlaufstelle im Krankenhaus ohne Bedenken und ohne Zuweisung jederzeit zu nutzen. Bekanntermaßen schafft im medizinischen Bereich mehr Angebot meistens auch mehr Nachfrage und es ist zu befürchten, dass eine solche neue Struktur in kürzester Zeit aus allen Nähten platzt.
Letztendlich ist die Schaffung solcher Strukturen nur nötig, weil der politische Wille für eine vernünftige Patientenlenkung fehlt und man nicht in der Lage ist, Gesetze so zu verändern, dass Patientinnen und Patienten nicht ungehindert alle Strukturen nach eigenem Gutdünken aufsuchen können. Und so darf man wohl auch nicht hoffen, dass die Politik bei allfälligen Klagen über Wartezeiten oder fehlenden Komfort in der EVA dann so viel Rückgrat zeigt, der Bevölkerung zu erklären, wozu die EVA eigentlich gedacht ist: nämlich Patient:innen abzufangen und zu filtern und die Spitäler frei zu halten von all jenen, die nicht die teure Infrastruktur dort benötigen und den Dienstalltag der Spitalsärzteschaft belasten.