Miteinander verringert unerwünschte Nebenwirkungen
GESUNDHEITSPOLITIK
Der vorwiegend von der Österreichischen Gesundheitskasse finanzierte niedergelassene Bereich steht vor etlichen Veränderungen. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, dass ein und dieselbe medizinische Leistung zum Beispiel im Burgenland von der ÖGK finanziert wird, in Vorarlberg aber nicht. Die laufenden Anstrengungen für einen einheitlichen Leistungskatalog sind daher zu begrüßen – wenn sie nicht zu einer Leistungskürzung und damit zum Nachteil der Patientinnen und Patienten in einigen Bundesländern führen. Hier wird die Ärztekammer ein wachsames Auge darauf haben.
Schwieriger wird es mit dem einheitlichen Honorarkatalog für die niedergelassene Ärzteschaft in allen Bundesländern, der aktuell ja ebenfalls verhandelt wird. Die bisher unterschiedlichen Honorarsysteme haben einen guten Grund: Sie nehmen auf unterschiedliche Lebenshaltungskosten in den Bundesländern Rücksicht. Diese liegen zum Beispiel in Vorarlberg um fast 8 Prozent höher als im Burgenland. Dass dies bei einer Vereinheitlichung berücksichtigt wird, darf bezweifelt werden. Zudem wird sich bei der angestrebten Pauschalierung die schwer defizitäre ÖGK wohl nicht an der Obergrenze bestehender Honorare orientieren. Es muss also eine Nivellierung nach unten befürchtet werden, Vorarlberger Kassenärztinnen und Kassenärzte würden dadurch deutlich weniger verdienen als bisher. Das wiederum könnte dazu führen, dass etliche Ärztinnen und Ärzte ihren Vertrag mit der ÖGK kündigen und ins Wahlarztsystem abwandern. Das Kassensystem würde weiter ausgedünnt und geschwächt werden.
Das steht allerdings in krassem Widerspruch zu den jüngsten Ansagen von ÖGK-Obmann Andreas Huss. Der will ja den niedergelassenen Bereich ausbauen, in den nächsten fünf Jahren 300 Primärversorgungszentren und 800 zusätzliche Kassenarztstellen schaffen. Dafür will Huss von der neuen Bundesregierung – die nach aktuellem Verhandlungsstand türkis-rot-pink gefärbt sein könnte – zumindest eine Milliarde Euro mehr. Angesichts des Schuldenstandes dieser Republik klingt das wie ein frommer, aber unerfüllbarer Wunsch ans Christkind.
Aber selbst wenn das nötige Geld vorhanden wäre und nicht (was dann ebenfalls befürchtet werden müsste) zum Stopfen der hausgemachten Budgetlöcher der ÖGK herhalten müsste: Woher will die ÖGK die Ärztinnen und Ärzte nehmen, um diese Stellen zu besetzen? Berücksichtig man die anhaltende Pensionierungswelle, wird das mit dem jährlichen Output der Medizinuniversitäten kaum zu stemmen sein. Hinzu kommt die seit Jahren sinkende Attraktivität von Kassenstellen, die mit dem geplanten Pauschalhonorar zumindest in Vorarlberg nicht besser werden dürfte – die Abwanderung ins Wahlarztsystem hat ja einen Grund.
Jetzt im November starten unsere Verhandlungen mit der ÖGK für das kommende Jahr. Die oben skizzierten Entwicklungen machen diese Verhandlungen nicht leichter. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entscheidungskompetenzen nicht mehr alle bei der Vorarlberger Landesstelle der ÖGK liegen – sie wurden je nach den zu verhandelnden Themenbereichen auf die Bundesländer aufgeteilt. Bisher war unser Verhandlungspartner im Land immer auf die Anliegen der Vorarlberger Ärzteschaft bedacht, inzwischen hat er aber weniger und weniger Entscheidungsbefugnis. Das entfernt die ÖGK von den länderspezifischen Notwendigkeiten und macht die Gesundheitskasse zu einem schwer zu durchdringenden Bürokratie-Dschungel, in dem die Ärztekammer immer mehr außen vorgelassen wird.
Zusammenhalt, Miteinander, Diskursfähigkeit, Sozialpartnerschaft – Schlagworte, die im vergangenen Wahlkampf von fast allen politischen Parteien immer wieder ins Treffen geführt wurden. Die kommende Bundesregierung hat nun die Chance, diese Worthülsen mit Leben zu füllen und die Ärztekammer als Partner auf Augenhöhe wieder stärker in gesundheitspolitische Entscheidungen einzubinden. Die Packelei zwischen Gesundheitsministerium und ÖGK unter Ausschluss der Standesvertretung gehört nicht zu den Highlights der vergangenen Legislaturperiode. Zu viele Betroffene leiden heute an unerwünschten Nebenwirkungen.