Mehr Solidarität statt Macht und Zwang
GESUNDHEITSSYSTEM
Es ist ein nachvollziehbares Faktum, dass sich ein freier Markt im Gesundheitssystem nachteilig auf sozial schwache und möglicherweise schicksalhaft benachteiligte Menschen auswirken würde. Es ist daher eine große Errungenschaft der Gesellschaft, dass in diesem System möglichst gleiche und gerechte Bedingungen für alle Menschen geschaffen wurden. Das wird auch seitens der Ärzteschaft zweifelsfrei anerkannt.
Nun aber wird es finanziell immer enger. Die Medizin macht unglaubliche und teure Fortschritte, mit zunehmender Lebenserwartung steigt auch der Bedarf an medizinischer Leistung und es entstehen gerade in den letzten Lebensjahren der Patient:innen erhebliche Kosten. Nicht zu vernachlässigen auch der zunehmende Anspruch der Bevölkerung an die medizinische Versorgung: Man will Symptome intensiv abgeklärt und exakt diagnostiziert haben, pragmatische Verdachtsdiagnosen werden immer weniger akzeptiert. Das führt zu immer höheren Untersuchungsfrequenzen und damit ebenfalls zu steigenden Kosten (unabhängig, ob daraus eine therapeutische Konsequenz entsteht).
Zunehmend versucht man die finanziellen Engpässe damit zu korrigieren, dass man anordnet, mehr Leistung um das gleiche Geld zu erbringen. Die Deckelungen und Honoraranpassungen bei hohem Leistungsvolumen sind dafür ein Beispiel, auch die starken Regulative im pharmazeutischen Bereich, die massiven Druck auf die Anbieter erzeugen, wenn Generika auf den Markt kommen. Dafür gibt die Politik der Sozialversicherung, die wettbewerbsfrei agieren kann, mächtige Instrumente in die Hand.
Derzeit ernten wir in vielen Bereichen die Ergebnisse einer vom Markt kaum kontrollierbaren Machtkonzentration bei Staat, Ländern und Sozialversicherungen. Dass Pharmafirmen aus wirtschaftlichen Gründen ihre Produkte nicht mehr herstellen oder in Länder verkaufen, die mehr dafür zahlen, ist ein klares Zeichen, dass der Bogen überspannt ist.
Wer die Stimmung in der Ärzteschaft kennt, weiß, dass auch hier in vielen Bereichen das Machtgefüge zu einseitig für den Monopolzahler gestaltet wurde. Die Ärzteschaft wird und wurde zunehmend in ihren Entscheidungsmöglichkeiten und ihrem Gestaltungsspielraum sowohl in den Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich eingeschränkt. Die Folge sehen wir immer deutlicher: eine Flucht aus dem solidarischen Gesundheitssystem in den Privatmarkt, ein Run in den Wahlarztbereich. Trotzdem gibt es immer noch Politiker und Kassenfunktionäre die glauben, man müsse mit noch mehr Macht die Ärzteschaft zwingen und bezwingen. Diese Damen und Herren sind es, die letztendlich zur Verantwortung gezogen werden müssen, wenn das System an die Wand fährt.
Ich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass alle Zentralsteuerer und Verfechter von Zwangsmaßnahmen für die Ärzteschaft keine Lösungen oder Zukunftsoptionen für das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem schaffen, sondern dieses weiter an den Abgrund drängen.