Gesundheitspolitisch gutes Ziel, aber holpriger Weg
VORARLBERG, BUNDESREGIERUNG
Stellungnahme der Vorarlberger Ärztekammer zum Programm der neuen Bundesregierung
Das grundsätzliche gesundheitspolitische Ziel der neuen Bundesregierung ist zu begrüßen, sagt Burkhard Walla, Präsident der Vorarlberger Ärztekammer. Im Regierungsprogramm ist dazu eine „langfristige Effizienz-Steigerungen im Gesundheitsbereich durch Stärkung des niedergelassenen Bereichs“ festgeschrieben, ebenso „eine deutliche Entlastung des Spitalsbereichs“. Diese Forderungen werden seitens der Vorarlberger Ärzteschaft schon seit Jahren erhoben. „Wenn die neue Bundesregierung das umsetzen will, wird sie unsere Unterstützung haben, sofern die gesetzten Maßnahmen dafür auch sinnvoll sind“, sagt Walla.
Bedauerlich ist für den Vorarlberg Ärztekammerpräsidenten dabei allerdings die Tatsache, dass die Maßnahmen dafür nicht auf einer Prioritätenliste ganz oben angesetzt sind und teilweise auch budgetabhängig sein sollen. „Das Gesundheitssystem ist bereits heute am Limit, die Versorgungssicherheit für die Patientinnen und Patienten darf nicht von Konjunkturprognosen abhängig sein“, sagt Walla.
Gesamtvertrag könnte Verschlechterung bringen
Kritisch steht Walla auch den Plänen von ÖVP, SPÖ und NEOS gegenüber, die im Regierungsprogramm den „Abschluss eines neuen einheitlichen Leistungskatalogs und eines darauf aufbauenden Gesamtvertrags mit einer modernen Leistungsabgeltung“ festgeschrieben haben. „Das könnte in Vorarlberg zu einem Rückschritt in der niedergelassenen Versorgung führen“, befürchtet der Kammerpräsident. Werden Honorare pauschaliert, besteht die Gefahr, dass aufwändige Untersuchungen, die bisher extra abgegolten werden, nicht mehr in den Ordinationen durchgeführt werden und die Patient:innen stattdessen in die ohnedies schon überfüllten Spitalsambulanzen überwiesen werden. Vereinheitlichung und Pauschalierung würden dann dem Leistungsprinzip zuwiderlaufen und Patient:innen müssten noch mehr Wege in Kauf nehmen, um das zu bekommen, was sie brauchen.
„Auch würde eine Vereinheitlichung wohl kaum auf unterschiedliche Lebenshaltungskosten in den Bundesländern Rücksicht nehmen und sich auch nicht an der Obergrenze der bestehenden Honorare orientieren, sondern wohl eher eine Nivellierung nach unten bedeuten“, befürchtet Walla. All das würde dazu führen, dass Vorarlberger Kassenärztinnen und Kassenärzte nach diesem Reformschritt deutlich weniger verdienen als bisher. Eine mögliche Folge: Etliche Ärztinnen und Ärzte würden wohl ihren Vertrag mit der ÖGK kündigen und ins Wahlarztsystem abwandern, das Kassensystem würde ausgedünnt und geschwächt. Walla erinnert daran, dass auch Vorarlbergs Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher einem solchen Gesamtvertrag aus genannten Gründen kritisch gegenübersteht.
Keine Zwangsmaßnahmen für Wahlärzt:innen
Die von der Regierung angedachten „verpflichtenden extramuralen Versorgungsangebote an Tagesrandzeiten und am Wochenende“ sieht Walla ebenso kritisch, sie würden einen Eingriff in die freie Berufsausübung bedeuten. Genauso wie die im Regierungsprogramm formulierten Zwangsmaßnahmen für Wahlärztinnen und Wahlärzte. Diese sollen laut Dreier-Koalition einen Beitrag für das öffentliche Gesundheitssystem leisten, indem man sie verpflichten will, „im Notfall in einem gewissen Ausmaß Patientinnen und Patienten zu Kassenkonditionen zu behandeln“.
Ohne Wahlärztinnen und Wahlärzte wäre die Gesundheitsversorgung in Vorarlberg nicht denkbar. Ihnen und auch den Kassenärztinnen und Kassenärzten müssen Rahmenbedingungen geboten werden, damit sie gerne im Kassensystem arbeiten. „Mit Zwang, wie das im Regierungsprogramm formuliert ist, wird das nicht funktionieren“, sagt Walla, der noch einmal an die Regierung appelliert, nicht erst in ein, zwei Jahren, sondern schon jetzt dringend benötigtes Geld in den Ausbau und die Attraktivität des niedergelassenen Bereichs zu investieren: „Die Österreichische Gesundheitskasse hat dieses Geld nicht, also muss der Bund einspringen.“
Unterstützung für klare Patientenlenkung
Breite Unterstützung seitens der Vorarlberger Ärztekammer findet hingegen die von der neuen Regierung geplante Patientenlenkung „mit klaren, verbindlichen, qualitätsgesicherten Versorgungspfaden“, die dann auch einzuhalten sind. Damit sowie mit der geplanten Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitskompetenz der Bevölkerung (nach dem Motto: Nicht jedes Wehwehchen braucht gleich ärztliche Zuwendung) können die Spitalsambulanzen entlastet werden – „was aber auch nur dann einen Benefit hat, wenn der niedergelassene Bereich gestärkt wird“, sagt Ärztekammerpräsident Burkhard Walla