VORARLBERG, KAMPAGNE

Der Ton in Ambulanzen und Ordinationen wird rauer. Immer öfter sehen sich Empfangs-, Ordinations- und Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzte mit sogenannten Wutpatienten konfrontiert. Untergriffigkeiten, Beschimpfungen und Drohungen gegen Mitarbeitende in Spitälern und Praxen nehmen zu. Um gegenzusteuern haben die Vorarlberger Ärztekammer, die Landeskrankenhäuser, das Stadtspital Dornbirn und die Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse jetzt eine Freundlichkeitsoffensive gestartet. Das Motto: Lächeln macht gesund, Grant macht krank.

Die Gesundheitsversorgung in Vorarlberg kommt wie in anderen Bundesländern immer mehr an ihre Kapazitätsgrenzen. Lange Wartezeiten in Spitalsambulanzen und Arztpraxen sind keine Seltenheit, zunehmender Frust und Ärger von Patientinnen und Patienten sind die Folge. „Das Personal in den Gesundheitseinrichtungen ist aber der falsche Adressat, um seine Wut abzuladen“, sagt Alexandra Rümmele-Waibel, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte. Insgesamt sind an die 7.000 hoch motivierte Frauen und Männer in Vorarlberg für die Gesundheit der Bevölkerung im Einsatz. Sieben Tage in der Woche rund um die Uhr werden Patientinnen und Patienten auf höchstem Niveau versorgt. „Noch mehr Spitäler und Praxen samt dazugehörendem Personal sind aus budgetären Gründen nicht möglich“, sagt die Kurienobfrau. Um aus der gegebenen Situation das Beste zu machen, ist ein respektvoller Umgang miteinander daher dringend nötig.

Die Realität sieht aber anders aus. „In jüngster Zeit erreichen uns gehäuft Meldungen über aggressive Patientinnen und Patienten“, sagt Alexandra Rümmele-Waibel, „sowohl aus den Spitälern als auch aus den Niederlassungen.“ Nicht alle dieser Wutpatienten machen ihrem Unmut persönlich und vor Ort Luft – immer mehr tauchen auch feige in die vermeintliche Anonymität der digitalen Welt ab. Laut einer aktuellen Umfrage der Wiener Ärztekammer waren an die 14 Prozent der Ärztinnen und Ärzte schon einmal Opfer von Hass im Netz.

Auch persönliche Drohungen per Mail

Die Hemmschwelle für Beschimpfungen, herabwürdigende und geschäftsschädigende Kommentare und sogar die Androhung von Gewalt wird im digitalen Raum immer niedriger, wie die Detaildaten der Wiener Umfrage zeigen: 58 Prozent der rund 1.000 befragten Medizinerinnen und Mediziner gaben an, in den vergangenen zwei Jahren von ungerechtfertigten Bewertungen betroffen gewesen zu sein. Hinzu kommen auch untergriffige Kommentare auf Social Media (30 Prozent im selben Zeitraum). Und rund ein Fünftel der Medizinerinnen und Mediziner hat bereits persönliche Drohungen per Mail erhalten. Hier hat es auch schon einige Strafanzeigen gegen die Urheberinnen und Urheber solcher Drohungen gegeben.

„Entsprechende Zahlen für Vorarlberg liegen zwar keine vor, aus unserer bisherigen Erfahrung heraus dürfte das Ergebnis aber leider sehr ähnlich wie jenes aus Wien sein“, sagt Rümmele-Waibel. Aber nicht nur Medizinerinnen und Mediziner sind Adressaten von Beschimpfungen. Zuerst und an vorderster Front trifft es das nichtärztliche Personal in Ambulanzen und Ordinationen.

Um diesem negativen Trend gegenzusteuern, haben die Vorarlberger Ärztekammer, die Krankenhaus-Betriebsgesellschaft (für die Landeskrankenhäuser), das Stadtspital Dornbirn und die Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) diese Woche eine Freundlichkeitsoffensive gestartet. Das Motto: Lächeln macht gesund, Grant macht krank. Diese Botschaft wird in den nächsten Wochen an Patientinnen und Patienten im ganzen Land herangetragen – bei jedem ärztlichen Besuch, sei es im Spital oder in den Praxen.

Mehr Respekt, Verständnis und Rücksicht

„Diese Freundlichkeitsoffensive ist als Bewusstseinskampagne ausgelegt und soll in Ordinationen und Ambulanzen über positive Botschaften an die Patientinnen und Patienten zu mehr Respekt, Verständnis und Rücksicht im Umgang miteinander führen“, sagt Kurienobfrau Rümmele-Waibel. Die Botschaften sind einfach, klar und für alle verständlich: Sie sollen auf der emotionalen Ebene wirken und zu einem guten Miteinander im Umgang zwischen allen Beteiligten sowie zu mehr Verständnis für die aktuelle Situation im Gesundheitssystem beitragen. Transportiert werden die Botschaften über Flyer (Leporellos), die Patientinnen und Patienten bei der Anmeldung in Ambulanzen und Ordinationen erhalten, sowie über Plakate und Bildschirmsujets (siehe letzte Seite).  

„Die Freundlichkeitskampagne ist eine wertvolle Initiative, die das Bewusstsein für einen respektvollen und rücksichtsvollen Umgang zwischen Patient:innen und Mitarbeitenden im Gesundheitswesen stärkt. Insbesondere im sensiblen Umfeld unserer Landeskrankenhäuser ist ein gutes Miteinander von entscheidender Bedeutung. Der positive Effekt kommt uns allen zugute“, freut sich KHBG-Direktor Gerald Fleisch, Geschäftsführer der Vorarlberger Landeskrankenhäuser.

Wichtiges Zeichen für positives Miteinander

Ähnlich argumentiert auch Peter Neier, Verwaltungsdirektor des KH Dornbirn: „Ein wertschätzender und respektvoller Umgang ist ein zentraler Bestandteil unseres Krankenhausalltags. Freundlichkeit schafft Vertrauen, erleichtert die Zusammenarbeit und trägt zum Wohlbefinden von Patient:innen und Mitarbeitenden gleichermaßen bei. Die Initiative ‚Lächeln macht Gesund‘ setzt ein wichtiges Zeichen für ein offenes und positives Miteinander, das unsere gemeinsame Arbeit und die Genesung der Patient:innen unterstützt.“

Auch Christoph Jenny, Vorsitzender des Landesstellenausschusses der ÖGK in Vorarlberg, betont: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ordinationen und Spitälern leisten unter herausfordernden Bedingungen Tag für Tag großartige Arbeit. Aggression und Respektlosigkeit gegenüber dem medizinischen Personal sind hier weder akzeptabel noch zielführend. Ein wertschätzender Umgang ist die Basis für ein funktionierendes Miteinander – besonders im Gesundheitswesen. Deshalb unterstützen wir als Österreichische Gesundheitskasse diese wichtige Initiative. Möge die Freundlichkeitsoffensive das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür stärken, wie wichtig ein respektvolles Miteinander und gegenseitiges Verständnis für eine gute Versorgung sind.“

Zudem kann die Kampagne auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Patientinnen und Patienten haben, ergänzt Alexandra Rümmele-Waibel: Lächeln stärkt das Immunsystem, stimmt positiv, mindert Stress, schafft Nähe, macht glücklich und hilft aus diesen Gründen auch bei der Heilung.