VORARLBERG, HAUSÄRZT:INNEN

Ärztekammer: Startbonus für hausärztliche Kassenstellen zeigt bisher keine Wirkung

Der Ärger vieler Patient:innen über lange Wartezeiten bei Hausärzt:innen mit Kassenvertrag ist nachvollziehbar und verständlich. Auch die Ärztekammer für Vorarlberg wünscht sich hier eine rasche Besserung, sagt Alexandra Rümmele-Waibel, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte. Sie ortet das Problem aber nicht in zu wenig Stellen, sondern im System: „Hier braucht es dringend bessere Rahmenbedingungen.“

Ende vergangenen Jahres waren in Vorarlberg zehn Kassenstellen für Allgemeinmedizin unbesetzt, sechs sind es noch heute. „Dieses Problem löst man aber nicht, indem man Ärztinnen und Ärzten zum Start ihrer neuen Praxis einmal 100.000 Euro als Belohnung in die Hand drückt“, sagt Rümmele-Waibel: Die vom Gesundheitsministerium als Turbo für die Besetzung von Kassenstellen gedachte Anschubfinanzierung erweist sich für die hausärztliche Versorgung in Vorarlberg bisher als wirkungslos: Auf die erste mit dem Startbonus ausgestattete und Anfang Februar ausgeschriebene Kassenstelle für Allgemeinmedizin in Höchst hat sich bis heute niemand beworben.

Die Kurienobfrau weist auch den oft geäußerten Vorwurf zurück, wonach die hausärztliche Versorgung zunehmend privatisiert werde. Nach Daten der Ärztekammer ist die Zahl der Wahlärzt:innen für Allgemeinmedizin in Vorarlberg seit zehn Jahren tendenziell rückläufig. Waren es Ende 2013 noch 72, sind es Ende 2023 nur noch 70, zwischenzeitig waren es noch weniger. Demgegenüber ist die Zahl der hausärztlich Kassenstellen in dieser Zeit von 158 auf 160 angestiegen.

Immer mehr Arzt-Patienten-Kontakte

Stark zugenommen hat im vergangenen Jahrzehnt allerdings die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen durch die Bevölkerung: Die Arzt-Patienten-Kontakte bei den Vorarlberger Hausärzt:innen sind von 1,8 Millionen im Jahr 2013 auf heute zwei Millionen gestiegen. Das erklärt auch die längeren Wartezeiten: „Die Ärztinnen und Ärzte arbeiten am Limit“, sagt Rümmele-Waibel.

Was also tun? Die vom Bund der Sozialversicherung bereitgestellten jährlichen 300 Millionen Euro, die für eine quantitative und qualitative Verbesserung der ärztlichen Versorgung im niedergelassenen Bereich verwendet werden sollen, sind ein erster Schritt. Es braucht jetzt aber dringend bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen für Kassenärzt:innen, fordert Rümmele-Waibel: weniger Bürokratie, hier insbesondere die Abschaffung oder zumindest Reduzierung der Chefarztpflicht; mehr bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote und auch ein Karenzmodell für den niedergelassenen Bereich sowie eine sinnvolle Patientenlenkung und auch eine Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit: Denn nicht jedes Problem braucht zu jeder Zeit immer, sofort und dringend eine ärztliche Abklärung – auch dann nicht, wenn diese von der Krankenkasse bezahlt wird.