ÖÄK: Gesundheitsminister will Risiko der Wirkstoffverschreibung nicht erkennen
ÖÄK, Medikamentenverordnung
Patientenschutz spielt in der Debatte offensichtlich keine Rolle, stellt die Österreichische Ärztekammer fassungslos fest. Das Patientenwohl kann nur ein klares Nein zur Wirkstoffverschreibung bedeuten.
Klare Ablehnung kommt von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) auf die erneut geäußerte Absicht von Gesundheitsminister Rauch, die Wirkstoffverschreibung vorantreiben zu wollen. „Ärztinnen und Ärzte beurteilen mit ihrer Expertise und ihrem Wissen um ihre Patientinnen und Patienten individuell, welches Medikament am besten geeignet ist. Wenn Ärztin oder Arzt nur noch einen Wirkstoff verschreiben können, beginnt für die Patienten ein Glücksspiel, welches Präparat sie dann in der Apotheke bekommen. Es können ungewohnte Medikamente sein oder gar solche, die der mit Ärztin oder Arzt besprochenen Einnahmeart widersprechen“, führt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, aus. Die Folge, vor der auch in der Wissenschaft immer wieder gewarnt wird, wäre Verunsicherung bei vielen Patientinnen und Patienten und ein erhöhtes Risiko von Einnahmefehlern, so der ÖÄK-Präsident.
Auch den internationalen Vergleich kann Steinhart als Argument nicht nachvollziehen. „Es stört mich seit Längerem, dass der Vergleich mit anderen EU-Ländern immer dann herangezogen wird, wenn es um eine Erodierung unseres Gesundheitssystems geht. Man sollte stolz darauf sein, wie hoch die Patientensicherheit in Österreich geachtet wird, anstatt dauernd auszuloten, was vielleicht gerade noch machbar wäre.“ Auch gegen die aktuellen Medikamentenengpässe sei eine Wirkstoffverschreibung völlig nutzlos – im Gegenteil. „Führende Pharmakologen und Experten haben immer wieder davor gewarnt, dass die Wirkstoffverschreibung in einem Land wie Österreich mit ohnehin niedrigen Medikamentenpreisen die Lieferengpässe nur weiter verschärfen wird – wir sind davon ausgegangen, dass diese Botschaft mittlerweile auch im Gesundheitsministerium angekommen ist“, stellt Steinhart klar. Die einzigen, die von einer Wirkstoffverschreibung profitieren würden, seien die Apotheken, die sich auf Einkaufskonditionen und Rabatte fokussieren und über niedrigere Lagerkosten freuen könnten. „Wir werden nicht zulassen, dass der Minister die Patientensicherheit gefährdet, nur um wirtschaftliche Partikularinteressen der Apotheken und ihrer Lobby zu befriedigen“, sagt der ÖÄK-Präsident.
„Unsere Aufgabe ist es, die Patientinnen und Patienten zu schützen“, unterstreicht Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Besonders Patientinnen oder Patienten, die schon jahrelang auf dieselben Medikamente eingestellt sind, sind oft überfordert, wenn sie plötzlich zum Beispiel andersfärbige Medikamente in einer völlig neuen Verpackung einnehmen sollen.“ Medikamente würden in solchen Fällen oft verwechselt, falsch oder gar nicht eingenommen, konstatiert Wutscher: „Diese Erfahrungen machen wir immer wieder in der Praxis.“ Sinnvoller und hilfreicher als eine Wirkstoffverschreibung wäre das Dispensierrecht für Ärztinnen und Ärzte, betont Wutscher.
Es sei nachzuvollziehen, dass Politikern diese medizinische Expertise fehlen würde, dennoch sei es erschütternd, wie gering die Patientensicherheit geachtet werde. „Wir Ärztinnen fühlen uns unseren Patientinnen und Patienten verpflichtet und lehnen daher auch in ihrem Interesse eine Wirkstoffverschreibung vollumfänglich ab“, unterstreicht Wutscher: „Denn Gesundheit beginnt bei der Ärztin, beim Arzt.“