„Medizin und Klimawandel – ein Leitfaden für die Praxis“
ÖÄK, Klimawandel
Die Ärzteschaft unterstützt bewusst und verantwortungsvoll die Bestrebungen für Klima- und Gesundheitsschutz – aktuell auch mit dem neuen, von der ÖÄK herausgegeben Buch „Medizin und Klimawandel“.
„Medizin und Klimawandel – ein Leitfaden für die Praxis“, heißt das Buch, das die Österreichische Ärztekammer herausgegeben und nun vorgestellt hat. Darin beschreiben Expertinnen und Experten, wie sich das Gesundheitswesen, aber auch jede einzelne Ordination, auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten und zu einem geringeren ökologischen Fußabdruck beitragen können – und insbesondere, wie Ärztinnen und Ärzte zur Verbreitung klimafreundlicher Verhaltensweisen beitragen können, welche Patientinnen und Patienten durch Folgen des Klimawandels besonders gefährdet sind und welche gesundheitlichen Probleme schon jetzt durch die Klimaveränderung hervorgerufen werden.
„Auch in Österreich hat die Zunahme der Hitzeperioden bereits gravierendste Auswirkungen auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit – quer durch alle Bevölkerungsschichten“, betonte Heinz Fuchsig, Umweltreferent der ÖÄK und Koordinator des Buchs. „Wer sich mit Umweltveränderungen befasst, dem kann es die Kehle zuschnüren. Durch Klimawandel und damit einhergehenden Entwicklungen ausgelöste Ängste und prätraumatische Stress-Symptome sind bei Jugendlichen heutzutage häufig. Das zeigt, wie ernst die Lage ist.“ Allerdings gebe es auch erfreuliche Erfolge: „Die Menschheit hat in der Prävention schon viel geschafft: von Asbestbann über den dem FCKW-Verbot folgenden Rückgang des Ozonlochs bis hin zur Befreiung der europäischen Luft von Blei und Schwefeldioxid. Das gibt uns Mut und Hoffnung. Resignation heilt nicht, sondern Hoffnung belebt.“
Wichtiges Engagement von Ärztinnen und Ärzten
Der Ärzteschaft kommt dabei eine besondere Verantwortung, aber
auch ein besonderes Potenzial zu, da ihr Engagement weitreichende
Signalwirkung sowie hohe Glaubwürdigkeit und Vorbildwirkung in der
Bevölkerung hat. Mit „Doctors4Future Austria“ wurde eine Initiative
und Aktionsplattform gegründet, um Mediziner und Angehörige anderer
Gesundheitsberufe in ihrer Verantwortung als Vorbilder hinsichtlich
eines klimafreundlichen und gesundheits-förderlichen Verhaltens zu
sensibilisieren und dabei mitzuwirken, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen
und nach außen mitzutragen. Das soll mit einer Kooperation mit
„Health4Future“ weiter ausgebaut werden.
„Ärztinnen und Ärzte sind vom Klimawandel mehrfach betroffen: Es droht etwa eine massive Überforderung des Gesundheitswesens in Hitzephasen bei gleichzeitiger Beeinträchtigung der eigenen Leistungsfähigkeit. Neben einer deutlichen Zunahme der Hitzetage ist auch mit häufigeren und stärkeren Extremwetterereignissen mit Hochwässern und Vermurungen zu rechnen – das Wasser steht uns sprichwörtlich bis zum Hals was die Dringlichkeit von Klimaschutz betrifft“, betonte Hans-Peter Hutter, stellvertretender Leiter der Abteilung für Umweltmedizin im Zentrum für Public Health der MedUni Wien, der am Buch mitgewirkt hat. Die gute Nachricht, so Hutter: „Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen besitzen ein hohes präventives Potential hinsichtlich des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung. Dazu zählen insbesondere eine Reduktion des übermäßigen Fleischkonsums und ein Plus an aktiver körperlicher Bewegung, beides wichtige Anliegen aus Gesundheitssicht, die auch in engem Bezug zur Klimakrise stehen. Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige des Gesundheitssystems insgesamt können sich hier besonders fundiert einsetzen und sich mit ihrem Engagement an einer Win-Win-Situation beteiligen. Die Präventionsmaßnahmen können zu mehr Lebensqualität und damit zur Senkung der Gesundheitskosten beitragen.“
Mehr Initiativen
„Im Zuge meiner Tätigkeiten treffe ich eine immer größer
werdende Zahl von individuell Engagierten diverser medizinischer
Berufsgruppen, die in ihrem eigenen Einflussbereich klimafreundliche
Maßnahmen umsetzen. Das reicht von kleinen Anpassungen in der eigenen
Ordination, über die Mitarbeit in klimafokussierten Arbeitsgruppen der
Berufsverbände bis hin zum Initiieren von Klimaschutzprojekten. Das
Spektrum ist breit gefächert und egal auf welcher Ebene, das
Engagement jedes Einzelnen trägt zum Klimaschutz bei!" sagte
Johanna Schauer-Berg, Allgemeinmedizinerin und Mitglied des Health4Future-Netzwerks.
Dahinter stehen Beispielsweise auch Krankenanstalten, Forschungseinrichtungen oder Stakeholder wie die Ärztekammer. „Es werden mehr und mehr Initiativen gestartet, Arbeitsgruppen gebildet, Leitlinien adaptiert oder Forschungsprojekte initiiert“ erzählt Schauer-Berg. „Die Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den verschiedenen Organisationen und auch zwischen den verschiedenen Disziplinen ist hier von besonderer Bedeutung, denn nur so ist eine nachhaltige Transformation möglich.“ Um fundiertes Handeln zu ermöglichen ist eine fixe Integration der Thematik in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Gesundheitspersonal essenziell. „Das ist mir als Lehrende ein besonderes Anliegen“, ergänzte Schauer-Berg.
Nachhaltige Gesundheitsversorgung
Der Gesundheitssektor müsse sich generell dem Klimaschutz noch
mehr verschreiben: „Denn dieser trägt aktuell maßgeblich zur
Klimakrise bei“, führte Fuchsig aus. Die gute Nachricht: Der
Fußabdruck des Gesundheitswesens geht trotz steigender Leistungen und
Kosten deutlich zurück. Die weniger gute Nachricht: Österreich liegt
bei den Treibhausgas-emissionen im Gesundheitssektor immer noch über
dem Wert vergleichbarer Länder.
Die mögliche Lösung dieser Probleme: eine nachhaltige Gesundheitsversorgung, die mehr auf Prävention und Gesundheitsförderung ausgerichtet ist und damit den Gesundheitssektor und sein Personal entlasten würde. „Dazu würde nicht nur die Integration von so genannten Co-Benefits, etwa mit gesunder Ernährung oder Alltagsbewegung, beitragen. Man sollte auch alternative Energiekonzepte und das Vermeiden von Schadstoffen in der ärztlichen Praxis, etwa bei Anästhesiegasen oder Einmal-Produkten, und den Fußabdruck des eigenen Handelns mit einbeziehen.“ Ähnliche Konzepte ließen sich auch auf die einzelnen Ordinationen umlegen: „Eine klimafitte Ordination ist durchaus möglich“, sagte Fuchsig. Das führe von der Verwendung von kühlfähigen Wärmepumpen statt Wärme aus Erdgas bis hin zu emissionsfreier Wind- und Solarkraft und zum Energiesparen mit LED-Lampen. Auch das Vermeiden einer Überdiagnostik und -medikation biete sich an: „Bei der Medikation gilt: choosing wisely. Entscheiden Sie weise. Das ist auch beim Klimaschutz ratsam – für unser aller Gesundheit und für ein nachhaltiges, starkes Gesundheitssystem.“
Buchtipp: „Medizin im Klimawandel. Ein Leitfaden für die Praxis.“ Koordination und inhaltliche Abstimmung: Dr. med. Heinz Fuchsig, ÖÄK-Referent für Umweltmedizin. Verlagshaus der Ärzte, 2022. ISBN der Handelsausgabe: 978-3-99052-255-4.