ÖÄK, COVID-19

Die Ärztinnen und Ärzte in Österreich leisten hervorragende Arbeit, gleichzeitig hat die Pandemie Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem deutlich sichtbar gemacht.

Mit einer Inseratenserie in allen großen österreichischen Tageszeitungen bedankt sich die Österreichische Ärztekammer bei allen Angehörigen der Gesundheitsberufe, die seit über einem Jahr Übermenschliches leisten. „Ohne den persönlichen Einsatz der über 200.000 top ausgebildeten Menschen, die im Gesundheitsbereich arbeiten, hätte es Österreich nicht so gut durch diese Krise geschafft“, fasst Thomas Szekeres, Präsident der Österreichische Ärztekammer, die Situation zusammen. Die Pandemie habe gezeigt, was gut funktioniert habe, aber: „Wir brauchen dringend Verbesserungen im Gesundheitssystem“, betont er. Entscheidend dafür sei ein Umdenken für den Gesundheitsbereich. Wenn es nun um die Aufarbeitung der finanziellen Auswirkungen der Pandemie gehen wird, dann darf keinesfalls die kurzsichtige Entscheidung getroffen werden, im Gesundheitsbereich einzusparen. „Hier brauchen wir eine Politik, die über den Tellerrand hinausblickt und im Sinne der kommenden Generationen handelt“, sagt Szekeres. Investitionen in den Gesundheitsbereich seien Investitionen, die sich durch die gestärkte Prävention doppelt auszahlen: „Denn der Gesundheitsbereich ist der Bereich, wo sich Investitionen durch die Milliarden an einsparbaren Folgekosten bezahlt machen“, appelliert Szekeres. Es brauche hier also dringend nachhaltiges Handeln.

Selbstversorgung und Selbstorganisation
Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, betont, dass gerade im kassenärztlichen Bereich bald eine katastrophale Situation drohe. Schon jetzt habe es zum Ende des vergangenen Quartals einer internen Abfrage zufolge österreichweit 121 unbesetzte Kassenstellen für Allgemeinmedizin und 79 unbesetzte Facharzt-Kassenstellen gegeben, wobei im Facharztbereich die Kinderheilkunde und die Frauenheilkunde mit 39 bzw. 16 unbesetzten Kassenstellen besonders dramatische Problemfelder darstellen. Die bisherigen Reaktionen ließen Übles für die Zukunft befürchten: „Statt das Problem an der Wurzel zu packen, werden neue Pauschalierungen überlegt, Ordinationen mit irrsinnigem finanziellen Aufwand in Spitälern eingerichtet oder gleich Spitalsärzte in den Kassenbereich verschoben – das sind doch keine zukunftsorientierten Lösungen, sondern das ist Weiterwurschteln mit minimalem Einsatz“, kritisiert Steinhart. Die Lösungen lägen längst parat: Es brauche mehr Ausbildungsstellen sowie die Honorierung der fachärztlichen Lehrpraxis, um mehr Nachwuchs für den niedergelassenen Kassenbereich zu gewinnen. „Zudem sollte man die administrativen Hürden beseitigen, mit denen die Kassenärzte konfrontiert werden.“ Gerade im kinderärztlichen Bereich sei Zuwendungsmedizin entscheidend. Besonders Beratungen zu Ernährung oder Verhalten bräuchten Zeit, die das derzeitige Kassensystem aber nicht honoriere und damit in diesem Bereich spare, sagt Steinhart, der sich für eine Aufhebung der Limitierungen ausspricht.

Eine Geste der Dankbarkeit sei jedenfalls angesichts des Einsatzes der Ärztinnen und Ärzte angebracht. Steinhart verweist auf den Mangel an Schutzausrüstung zu Beginn der Pandemie, für dessen Behebung sich keine der verantwortlichen Stellen zuständig gefühlt hat: „Es war nicht nur eine Kollegin, die sich in ihrer Not selbst Schutzausrüstung aus Mullsäcken gebastelt hat – in einem Land wie Österreich wohlgemerkt“, sagt Steinhart. Ohne die Selbstversorgungs- und Selbstorganisationsfähigkeiten der Ärztekammern hätte es noch deutlich düsterer ausgesehen.

Qualität in der Arztausbildung sichert die Zukunft
Auch in den Spitälern leistet das gesamte Gesundheitspersonal unter schwierigen Arbeitsbedienungen enorm viel: „Die Situation in den Spitälern besonders in Pandemiezeiten ist für das Personal herausfordernd und wir möchten uns hier ausdrücklich für das enorme Engagement bedanken“, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Die Pandemie habe gezeigt, wie notwendig es ist, Reserven für Ausnahmesituationen zu haben – und dazu gehöre auch, genügend Schutzausrüstung bei der Hand zu haben: „Wir sind momentan viel zu abhängig von der Produktion von Medizinprodukten außerhalb von Europa“, sagt Mayer.

Es müsste sichergestellt werden, dass die knappen ärztlichen Ressourcen auch sinnvoll verteilt werden: „Wenn nun aufgrund von Lücken bei Kassenärzten Spitalsärzte in Ordinationen einspringen müssen, dann brennt Feuer am Dach“, sagt Mayer. Er verweist auf Beispiele im Burgenland und Niederösterreich, wo bereits Spitalsärzte bei Lücken in der wohnortnahen Versorgung einspringen: „Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein“, kritisiert Mayer. Zudem benötigten die Spitäler Ressourcen für die Ausbildung. Seit Jahren kümmert sich die Österreichische Ärztekammer, unabhängig von politischer Einflussnahme, um die Genehmigung der passenden Anzahl von Ausbildungsstellen. Die Inhalte der Ausbildung werden in enger Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachgesellschaften beschlossen: „Wir können aus unserer Erfahrung und unserem Wissen schöpfen und dafür sorgen, dass der Nachwuchs adäquat ausgebildet wird, dass er das vermittelt bekommt, was relevant ist.“ Die Stärke der Genehmigung von Ausbildungsstellen sei derzeit, dass sie von medizinischen Experten und politisch unabhängig erfolge. „Dieses Qualitätsmerkmal, dieses bewährte System, steht nun auf der Kippe, wenn Bundesländer, die Spitalseigentümer sind, selber über die Ausbildungsplätze entscheiden“, warnt Mayer.

Auf Profis setzen
Auch Herwig Lindner, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Präsident der Ärztekammer Steiermark, dankte den Ärztinnen und Ärzten für ihren Einsatz und der aktiven Bekämpfung der Pandemie durch die Impfungen. Die Ärztekammern seien jederzeit verlässliche Partner mit Handschlagqualität gewesen. Das sei in den Zeiten des politischen Zickzacks leider nicht bei allen Beteiligten im Gesundheitsbereich selbstverständlich gewesen: „Oftmals hatte es den Anschein, als wolle man durch verwaltungstechnische Schildbürgerstreiche den Einsatz der Ärztinnen und Ärzte bestrafen oder sabotieren. Lange haben bei den Testungen oder beim Impfen klare Strategien gefehlt, stattdessen gab es noch öffentliche Verunsicherung durch Ideen, Apotheker oder Hotelfachkräfte impfen zu lassen“, kritisiert Lindner. Auch hier hätte man viel stärker und früher Ärzte, Gemeinden und Spitäler einbinden sollen. „Es zahlt sich immer aus, auf Profis zu setzen“, appellierte Lindner.

Besonders ärgerlich ist daher für Lindner, dass ausgerechnet in dieser Phase ein Angriff auf die Qualität der Arztausbildung geritten wird. Die ÖÄK ist im Auftrag des Gesundheitsministeriums dafür zuständig, bei der die Ärzteaus- und Fortbildung, dem Führen der Ärzteliste, der Zulassung von Ausbildungsstätten und der Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich die politische Unabhängigkeit und Qualität zu garantieren. „Die ÖÄK hat mit ihrer Kompetenz und ihrem Know-how die Qualitätsstandards sehr hoch gesetzt. Exzellente Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses und politische Unabhängigkeit in der Qualitätssicherung sind Eckpfeiler der hohen Qualität der Gesundheitsversorgung“, so Lindner. „Seitens der Länder wird in diesem Moment an einer GmbH gefeilt, die diese Aufgabenbereiche übernehmen soll. Damit würde die Ärzteausbildung zur Ländersache werden“, warnt er. Auch wenn die Absicht der Landespolitik vorhanden sein mag, für Weisungsungebundenheit sorgen zu wollen, sei zu befürchten, dass Auditoren, die in politischen Abhängigkeiten stehen, wohl kaum objektiv sein werden. „Die Länder würden die Qualitätssicherung in der Ausbildung ins letzte Jahrtausend zurückkatapultieren“, so Lindner. (sb/sni)