AiL Juli/August 2021

AuS DER KAMMER In der Juni-Ausgabe des Arzt im Ländle hat Ärztekammer-Präsident OMR Dr. Michael Jonas auf die Auswirkungen der Pandemie in Österreich Bezug genommen.Wir möchten nun auf die Auswirkungen des Geschehens und Folgen der Infektionsschutzmaßnahmen auf Kinder und Jugendliche eingehen. Im ersten Lockdown vom Frühjahr bis kurz vor den Sommerferien 2020 haben viele Familien und Schulen die Situation noch leicht genom- men – man versuchte sich zu arran- gieren, ist enger zusammengerückt, es gab kaum Notendruck. Es wurde z.B. mehr gespielt, im günstigsten Falle miteinander, aber vor allem mehr online. ImHerbst hat die Uni- versitätsklinik Hamburg Eppendorf dann in breiteren Erhebungen schon für das 1. Coronajahr einen Anstieg von psychischen Störungs- anteilen in der Altersgruppe 11-17 Jahre von 22 auf 33% festgestellt. 1 Hier in Vorarlberg wurde das vor allem ab dem 2. Lockdown im Spät- herbst spürbar: Mehrfachbelastung mit Online- und Wechselunterricht, gleichzeitigem Homeoffice, Aus- gangssperren und fehlende sozialen Kontakte, eingeschränkte Bewe- gungsräume, Strukturverlust – für Viele bis hin zur Tag-Nacht-Umkehr ... Die Folge: gestresste, gereizte El- tern; überforderte und zunehmend hoffnungslose Kids – steigende An- meldezahlen in den fachärztlichen Praxen, bei psychosozialen Diensten der kinder- und jugendpsychiatri- schen Klinik. Wohlgemerkt bestan- den in all diesen Behandlungs- und Therapiebereichen schon vorher Engpässe und Wartezeiten. Unter dem „Corona-Brennglas“ hat sich diese Situation eklatant verschärft – erhöhte Inanspruchnahme und Häufung von Krisenfällen. Trotz großem Engagement der Fachkolle- gen waren dementgegen geplante- und indizierte Regelbehandlungen immer schwerer zu realisieren. Es gab und gibt schlichtweg keine frei- en Therapie- und Behandlungsplät- ze mehr. Von Triagen den kinder- und jugendpsychiatrischen Uni- versitätskliniken am Wiener AKH und in Hall ist die Rede – hierorts muss eher von einer Art „Corona- Ampel“ ausgegangen werden: Kin- der- und Jugendpsychiatrie am LKH Rankweil dauerhaft im roten Bereich ... aber dringende und schwerkranke junge Menschen werden vorrangig berücksichtigt – aber was ist mit den anderen Kindern und Jugendlichen?! Mit psychosozialer Belastung, gerade in schwächeren Familien, wo wenig elterlicher Support oder wo eigene Nöte der Erwachsenen bestehen? Langjährig destruierende Einflüsse und negative Entwicklungsfaktoren haben sich verschärft. Zunahme von Gewalt und sexuellem Missbrauch kann, mit hoher Dunkelziffer, leider nur angenommen werden. Noch er- reichen betroffene Kinder unsere Hilfesysteme kaum, jedoch haben die ins Netz gestellten Bildmaterialien mit kinderpornographischem Inhalt oder die sexuellenMissbrauch zeigen in ganz Europa sehr zugenommen! Die Med.-Universitäten Wien und Krems haben bei einer Erhe- bung unter Mittelschülern im Früh- jahr 2021 – bei annähernd 50% depressive Symptome feststellen müssen, erschreckend hoch war die Rate von Schulkindern und jünge- ren Jugendlichen mit suizidalen Ge- danken (16%!). Verschiedene Medi- en haben bereits darüber berichtet. Auf Druck der Fachgruppen Kin- derheilkunde und Kinderjugend- psychiatrie in Vorarlberg und nach Problemanzeigen an die politischen Entscheidungsträger des Landes wurden im moderaten und zeitlich befristeten Umfang neue Beratungs- und Therapiestellen geschaffen. Bei weitem noch nicht bedarfsgerecht. Es bestehen immer noch große ÄRZTE & ÄRZTINNEN IN VORARLBERG Die offizielle Facebook-Gruppe der Ärzteschaft Vorarlberg! Beitreten und immer auf dem aktuellsten Stand sein! Fachgrupppe für Kinder- und Jugendpsychiatrie Wie kommen Kinder und Jugendliche durch die Pandemie? Bestandsaufnahme und Perspektiven … aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht 8 | Arzt im LändLe 09-2021

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