AiL Juli/August 2021
Pünktlichmit 1. Juli begann für die Arbeitnehmervertreter*innen in der ÖGK ihre halbjährige Funktionsperiode. Der Vorsitzende der Landesstelle Manfred Brunner und ÖGK Obmann Andreas Huss präsentieren sich seither in hoher Frequenz in den Medien. Offenbar ist der Druck, sich in dem halben Jahr ihrer Funktions- periode medial zu profilieren, groß, nur so kann man verstehen, warum die beiden alle Kontakte zu Medien nutzen, um sich in der „Saure-Gurken-Zeit“, in der keine wesentlichen politischen Inhalte zu berichten sind, proaktiv in Szene zu setzen. So ist auch das jährlich im Sommerloch aufgekochte leidige ThemaWahlärzt*innen wieder in den Fokus gerückt. Unterstützt durch die medial breit kommunizierte Kündigung der einzigen Kassenvertragsärztin für Pädiatrie in Feldkirch, hat die Arbeit- nehmerkurie der ÖGK offenbar beschlossen, medial ein Halali auf die Wahlärzt*innen zu blasen. Sie wurden in diesem Zusam- menhang mehrfach öffentlich als Rosinenpicker diffamiert, Brunner und Huss äußerten zudem öffentlich, dass sie Wahlärzt*innen an die Kandare nehmen wollen. Die zu kurz ge- dachte Medienkampagne mag vielleicht die eine oder andere Schlagzeile bringen, fundiert strategisch geplant scheint die Agi- tation aber nicht zu sein. Dabei ist es offenbar so, dass beide unterschiedliche Konzepte verfolgen.Manfred Brunner stellt sich vor, dass erWahlärzt*innen, die nicht bereit sind, Kassenärzte zu werden, insofern bestraft, als er ihnen Rezepturrecht, die Möglichkeit zu Krankschreibungen und den Wahlarztrückersatz für ihre Patient*innen streicht und hofft, sie damit wirtschaftlich so stark unter Druck zu setzen, dass sie gefügig in Kassenverträge einwilligen. Obmann Huss hingegen will allen Wahlärzt*innen einen Vertrag anbieten und bei einer Absage den Wahlarztrückersatz streichen. Beide Vorstellungen sind eigenartig. Die Bestrafungsaktion, die sich Manfred Brunner für die Wahlärzt*innen ausgedacht hat, ist in erster Linie eine Bestrafung der eigenen Versicherten. Wir wis- sen aus Befragungen, dass viele Patient*innen Wahlärzt*innen nicht deshalb konsultieren, weil es keine Kassenärzt*innen für sie gibt, sondern weil sie bewusst und gezielt diese Versorgungsform aufsuchen. Zudem gibt es bereits jetzt einen großen Teil an Wahlärzt*innen, die sich mit Vorsorgeuntersuchungen, Covid- 19-Impfungen sowie im Rahmen von Bereitschaftsdiensten ins öffentliche Gesundheitssystem einbringen. Außerdem ist der von der ÖGK gewährte Wahlarztrückersatz, der sich mit 80% an ei- nem fiktiven Punktewert orientiert, ohnehin gering, so dass letztendlich durch eine solche Aktion nur zu erwarten wäre, dass auch dieser geringe Beitrag der ÖGK an ihre Versicherten verlo- ren geht. Auch würde wohl kaum ein ÖGK-Versicherter verste- hen, warum er/sie nach einem Wahlarztbesuch das Rezept oder die Krankmeldung bei einem/einer Kassenärzt*in umschreiben lassen sollte. Schließlich würde das Ganze zu einer sehr großen Zusatzbelastung und auch vermutlich zu Ärger bei den ohnehin nicht unterbeschäftigten Kassenvertragsärzt*innen führen. ÖGK Obmann Huss zeigt mit seiner Forderung, allen Wahlärzt*innen einen Kassenvertrag anbieten zu wollen, ein gro- ßes Maß an Unkenntnis (zumindest über den Vorarlberger Ge- samtvertrag) in der Öffentlichkeit. Bekanntermaßen gibt es in Vorarlberg seit langem ein einnahmengebundenes System der Ausgaben für ärztliche Hilfe. Im Rahmen dieses „Topfes“ haben wir seit Jahren sehr viele zusätzlichen Kassenstellen geschaffen, die das gedeckelte Budget zugelassen hat. In Vorarlberg ordinie- ren gut 320 Wahlärzt*innen. Angenommen von diesen würden nur 100 den angebotenen Vertrag annehmen, dann würden für die ÖGK jährliche Zusatzkosten in Höhe von rund € 20 Millionen entstehen. Das Geld hat die ÖGK schlicht und ergreifend nicht. Dass das Ganze eine nicht wirklich ernst gemeinte mediale Agitation sein muss, zeigt sich auch darin, dass die von der öster- reichischen Ärztekammer seit langem aufgestellte Forderung nach österreichweit zusätzlichen 1300 Kassenvertragsstellen, bis heute nicht ein einziges Mal von der ÖGK ernsthaft diskutiert wurde. Ich fordere daher sowohl Manfred Brunner als auch Andreas Huss auf, sich gut zu überlegen, was an PR-Arbeit sinnvoll und nützlich ist. Letztendlich haben die Aussagen der beiden zu gro- ßen Emotionen bei denWahlärzt*innen geführt, die sie ja eigent- lich als Vertragspartner*innen gewinnen wollen. Außerdem wur- de auch bei Kassenvertragsärzt*innen viel an Vertrauen zerstört, das gerade in Vorarlberg in den letzten Jahren durch besonnene Sachpolitik mit der damals noch existierenden VGKK aufgebaut wurde. Es wäre der Sache dienlicher, wenn sich die beiden mit der gleichen Energie, die sie in ihr Wahlarzt-Bashing stecken, für Verbesserungen im Kassenbereich einsetzen würden. Ein vorrangiges Thema wäre dabei, dafür zu sorgen, dass auch Kassenvertragsärzt*innen wieder ohne Nachteil Privat- patient*innen im Sinne einer Zusatzverrechnung behandeln können. In der Hoffnung auf einen konstruktiven Dialog mit den ÖGK- Verantwortlichen im Herbst VP Kurienobmann Niedergelassene Ärzte MR Dr. BurkhardWalla Sommerloch C E T E R U M Arzt im LändLe 09-2021 | 3
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