AiL Juli/August 2021
tete Zellen punktgenau bestrahlen. „Die Mediziner können nur so ge- nau behandeln, wie das System es vorab berechnet. Die Hersteller lie- fern uns die Maschinen – wie etwa unseren neuen Oberflächenscanner – samt Basiswissen zur Anwendung. Die Physiker der jeweiligen Spitäler verfeinern dann die Verfahren, er- zeugen die Modelle, mit denen man den Computer füttert“, erklärt Mat- thias Kowatsch. „Und unser Verfah- ren ist dabei außerordentlich exakt geworden. Das wollen wir noch weiter ausfeilen.“ Gezielte Vernichtung von Tumorzellen Im Kampf gegen Tumore und Krebszellen werden bei der Be- strahlung Photonen, also kleinste Lichtteilchen, losgeschickt. Trifft ein Photonenstrahl auf den Kör- per auf, ist das in etwa vergleichbar mit dem Auftreffen von sichtbarem Licht auf einen Gegenstand: das Licht wird abgeschwächt, bis es ir- gendwann gar nicht mehr weiter kommt: auch die Photonen treffen auf dem Körper auf, dringen ein Stück weit ein und reagieren mit Molekülen und Stoffen, die sich im Körper befinden. Dabei müssen die Photonen durch unterschied- liche Schichten durch und laden dabei unterschiedlich viel Energie ab. „Die Herausforderung liegt nun darin, die Übergänge zwischen die- sen Schichten für die Dosisplanung richtig zu berechnen“, fasst der Phy- siker zusammen. „Wir berechnen den Weg der Photonen so, dass am meisten Energie dort auftrifft, wo der Tu- mor ist, um ihn zu zerstören. Noch vor zehn Jahren galt eine Genauig- keit von ±3% als sehr exakt. Durch die technischen Verbesserungen können wir heute punktgenau (<1%) bestimmen, welche Dosis im Zielgebiet, das durch die Ärzte vorgegeben wird, ankommt. Durch aufwändige Rechenprogramme können wir das den Ärzten darstel- len.“ Damit kann das Fachpersonal gut voraussagen, wie bestrahlt wird und mit welchen Nebenwirkungen sie rechnen müssen. Bestrahlung von Tumoren durch Medizinphysik deutlich verbessert Seit zwölf Jahren wird das derzeit bestehende System in Feldkirch nach und nach verfeinert. „Damals haben Berechnungen, die wir heute in einer halben Stunde bekommen, noch 24 Stunden gedauert“, erin- nert sich Matthias Kowatsch. Aber nicht nur für die behandeln- den Teams sind die Messungen und Berechnungen eine Entlastung, vor allem die Patienten und Pati- entinnen gewinnen dadurch: Die Bekämpfung von HNO- und Brust- Tumoren sowie die Bestrahlung der Prostata sind durch die optimierte Berechnung und Bildgebung stark verbessert worden: „Nebenwirkun- gen sind deutlich reduziert worden: „Im HNO-Bereich kommt es bei- spielsweise nicht mehr automatisch zu Mundtrockenheit nach der Be- strahlung der Speicheldrüsen“, er- klärt Matthias Kowatsch. „Auch bei der Bestrahlung der Brust reagiert die Haut nur mehr in seltenen Fäl- len. Und diesen Fortschritt wollen wir weiterführen.“ Weiter forschen und entwickeln In Zukunft wollen die Medizin- physiker in Feldkirch nun auch da- hingehend forschen, nicht nur die Oberfläche eines Menschen anhand eines Computermodells sichtbar zu machen, sie wollen auch eine Bild- gebung in die klinische Routine überführen, die es erlaubt, während der Bestrahlung in die Patient:innen hinein zu sehen: „Dort liegt mo- mentan das meiste Entwicklungs- potenzial für die nähere Zukunft hier am LKH Feldkirch“ weiß Mat- thias Kowatsch. „Dann könnten wir den Photonenstrahl nämlich auch während des Bestrahlungsvorgan- ges noch individuell anpassen. Die Prostata ist beispielsweise ein Or- gan, das je nach Darm- und Blasen- füllung seine Position bis zu einem Zentimeter ändern kann.“ Nächstes Jahr wird das Team mit seinen neusten Erkenntnissen wie- der bei einem internationalenWett- bewerb antreten. Arzt im LändLe 07/08-2021 | 21 Arzt im LändLe 9
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