AiL Juli/August 2021

AUS Der MeDI z In Wieso altern Menschen in unterschied- lichen Geschwindigkeiten? Wie sieht er aus, der „State of the Art“ im Alterungsprozess? Die zwei Wissenschaftler*innen Barbara Plagg und Stefan Zerbe haben in ihrer Review „How does the environment affect human ageing? An interdisciplinary review“ bestehendes Wissen aus Medizin und Ökologie über einen interdisziplinären Ansatz zusammengeführt. „Allein in Italien beträgt der „Alters-Gap“ zwischen der ärmeren und reicheren Bevölkerung ca. 10 Jahre“, so die Verfasser der Studie. Ihre Zusammen- schau soll als gesundheits- und umweltpolitische Grundlage dienen, diese Schere zu verringern. „Der Alterungsprozess kann nicht aufgehalten werden, wohl aber kann ein gesundes Altern gefördert wer- den“, resümieren Plagg und Zer- be. In Südtirol gleich wie weltweit ist das Bild dasselbe: die Menschen altern unterschiedlich schnell. Da lohnt es sich, genauer hinzuschau- en, um zu verstehen: Welche Grup- pen altern besonders schnell? Was beeinflusst unsere Lebenserwartung und was erhält beziehungsweise be- einträchtigt unsere Gesundheit und einen gesunden Alterungsprozess? In der Übersichtsarbeit ging es un- ter Zusammenführung von Kennt- nissen aus den Disziplinen Medizin und Ökologie darum, diese Fragen zu beantworten. Die Haupttodesursachen in den Industrieländern stellen nach wie vor chronische Erkrankungen dar – also solche, die lange andau- ern, schwer oder gar nicht heilbar sind und im Gegensatz zu infek- tiösen Erkrankungen schleichend über längere Zeit hinweg entste- hen. Welche Faktoren den Aus- bruch sogenannter „altersassoziier- ter Erkrankungen“ (wie z.B. De- menz, Krebs oder kardiovaskulä- re Erkrankungen) begünstigen, ha- ben die Forscher*innen in ihrer Ar- beit zusammengetragen. Gesundes Altern bedeutet dabei weder das Altern aufzuhalten noch der Leis- tungsgesellschaft zuzuspielen, son- dern es geht darum, die psychische wie physische Gesundheit so lange als möglich zu erhalten und bis ins hohe Alter autonom zu leben. „Wie schnell wir altern, ist nur zum klei- nen Teil in unseren Genen festge- legt, Umweltfaktoren wie etwa To- xine in Luft, Wasser und Boden und soziale sowie ökonomische Fak- toren wie Bildungshintergrund, Wohnsituation, Arbeitsleben und Lebensstil spielen eine zentrale Rolle“, so Plagg und Zerbe. Wenn man bedenkt, dass in Eu- ropa mittlerweile über 60% der Be- völkerung in Städten lebt, so rü- cken urbane Lebensraumfaktoren wie Luftverschmutzung, Hitzewel- len und Lärmbelästigung ganz be- sonders ins Blickfeld. Prof. Ste- fan Zerbe, der im Südtiroler TER- Netzwerk organisiert ist, welches an der Schnittstelle von Umwelt und Gesundheit forscht, sieht in einer nachhaltigen Stadt- und insbeson- dere der Grünraumplanung einen wichtigen Hebel, um dem stress- bedingten Altern entgegenzuwir- ken: „Das Individuum kann zwar selbst seinen Lebensstil ändern und auf Ernährung, Sport und sozia- le Kontakte achten, aber seine Um- gebung, vielfach geprägt von urba- nem Lebensraum, liegt weitgehend außerhalb seines direkten Einflus- ses. Die zusammenfassende Studie zeigt, dass sorgfältig geplantes Grün und eine Verringerung von Staub und Lärm den Stresspegel senken können, was wiederum den Alter- sprozess verlangsamen kann“, so der Professor für Interdisziplinä- re Landschaftsökologie an der Fa- kultät für Naturwissenschaften und Technik der unibz, der auch Mit- glied im wissenschaftlichen Bei- rat der deutschen Berg-Stiftung für eine gesunde Stadt ist. „Generell ist es in der Medizin und den Gesund- heitswissenschaften schwierig, kau- sale Zusammenhänge von Krank- heiten und Alterungsprozessen mit Umweltfaktoren herzustellen, wes- wegen das interdisziplinäre Zusam- menarbeiten so bedeutsam ist.“ In dieselbe Kerbe schlägt Bar- bara Plagg, die an der Fakultät für Bildungswissenschaften der unibz lehrt und am Institut für Allgemein- medizin an der Claudiana als Wis- senschaftlerin tätig ist. Ihr Schwer- punkt liegt auf Alters- und Ver- ÄRZTE & ÄRZTINNEN IN VORARLBERG Die offizielle Facebook-Gruppe der Ärzteschaft Vorarlberg! Beitreten und immer auf dem aktuellsten Stand sein! 30 | Arzt im LändLe 07/08-2021

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