AiL Juli/August 2021

#einfachtesten – HIV früher diagnostizieren Die Behandlung sollte eingeleitet werden, bevor sich die für eine fort- geschrittene HIV-Infektion charak- teristische Immundefizienz mani- festiert. Aktuelle nationale 1 und internationale Leitlinien tragen dieser Erkenntnis Rechnung und empfehlen einen Therapiebeginn grundsätzlich so rasch wie möglich. Späte Diagnosen wirken sich nachteilig aus In Österreich werden über 40 Pro- zent aller HIV-Diagnosen spät ge- stellt, zu einem Zeitpunkt an dem das Immunsystem bereits ge- schwächt ist. Eine späte Diagnose bzw. Late Presentation wird defi- niert als <350 CD4-Zellen/ µl Blut oder das Vorliegen einer AIDS-defi- nierenden Erkrankung zum Zeit- punkt der Vorstellung in einem Be- handlungszentrum. Eine alleinige HIV-Diagnose reicht nicht aus. Entscheidend ist die rechtzeitige Vorstellung bei einer/einem Schwerpunktbehandler*in, in Ös- terreich also einer spezialisierten Spitalsambulanz oder bei einer/m niedergelassenenHIV-Behandler*in. 2 Oft vergehen zwischen erster Diag- nose und Vorstellung bei der/dem HIV-Behandler*in nur wenige Mo- nate, sodass Late Presentation zum Zeitpunkt der Diagnose und zum Zeitpunkt der Behandlung nahe aneinander liegen. Manchmal können allerdings auch Jahre ver- gehen. Das Problem der Late Presenta- tion ist, dass jede Therapieeinlei- tung dann nicht mehr zum optima- len Zeitpunkt stattfindet, sondern verspätet. Späte HIV-Diagnosen ha- ben Auswirkungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene: Men- Quellen 1 Deutsche AIDS-Gesellschaft, Österreichische AIDS Gesell- schaft (2020). Leitlinien zur Antiretroviralen Therapie der HIV Infektion. 2 Antinori A, Coenen T, Costagiola D, et al. (2011). Late presentation of HIV infection: a consensus definition. HIV Med 2011 Jan;12(1):61-4. 3 Leierer et al. (2019). HIV/AIDS in Austria. 37th Report of the Austrian HIV Cohort Study. Die antiretrovirale Therapie, die Mitte der 1990er Jahre eingeführt wurde, hat zu einer deutlichen Reduktion der HIV-assoziierten Erkrankungen und AIDS-bezogenen Todesfälle geführt. Der Nutzen hinsichtlich einer individuellen Risikosenkung ist dann am höchsten, je früher mit der Therapieeinnahme begonnen wird. schen, die zu einem späten Zeit- punkt eine HIV-Diagnose erhalten, haben ein höheres Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf und frühzeitige Sterblichkeit. Auf gesell- schaftlicher Ebene führt der verzö- gerte Zugang zu Therapie zu weite- ren – vermeidbaren – Infektionen sowie höheren Behandlungskosten. Dabei könnten durch die recht- zeitige Diagnose und Therapie Fol- geerscheinungen und Übertragun- gen nachhaltig vermieden werden. HIV ist zwar nicht heilbar, aber heute sehr gut behandelbar. Durch einen rechtzeitigen Therapiestart haben Menschen mit HIV eine an- nähernd gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV bei ver- gleichbarer Lebensqualität. Risikofaktoren für Late Presentation Höheres Alter, Migrationshinter- grund, heterosexueller Übertra- gungsweg, Drogengebrauch und das männliche Geschlecht gelten als Risikofaktoren für Late Presentati- on. 3 Demzufolge hat ein älterer Mann mit Migrationshintergrund mit höherer Wahrscheinlichkeit eine bereits fortgeschrittene Im- mundefizienz zum Zeitpunkt der Erstdiagnose. Die Schlüsselrolle der Mediziner*innen bei der Früherkennung Es gibt viele Ursachen dafür, dass Menschen sich nicht routinemä- ßig auf HIV untersuchen lassen. Oftmals können fehlendes Risiko- bewusstsein, Angst vor den mögli- chen Folgen sowie der Assoziation mit Stigma bei einem positiven Testergebnis zu Grunde liegen. Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner nehmen bei der Früherkennung von HIV des- halb eine wichtige Schlüsselrolle ein. Sie sind die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, sei es für Gesunden-Untersuchun- gen oder bei Symptomen einer akuten oder fortgeschrittenen HIV-Infektion. Die Kampagne #einfachtesten – eine Initiative der Aids Hilfe Wien Um späten HIV-Diagnosen entge- genzuwirken, hat die Aids Hilfe Wien mit Unterstützung des Dachverbands der Sozialversiche- rungsträger und in Kooperation mit der Österreichischen Ärzte- kammer, den Landesärztekam- mern von Wien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Oberös- terreich und Vorarlberg sowie der Österreichischen AIDS Gesell- schaft und der Österreichischen Gesellschaft niedergelassener Ärz- te zur Betreuung HIV-Infizierter die Kampagne #einfachtesten ins Leben gerufen. Ziel ist es, Allgemeinmedi­ ziner*innen sowie Patient*-innen über HIV und die Vorteile des HIV- Tests zu informieren. Teil dieser Kampagne sind Fortbildungen, die in Kooperation mit den Landesärz- tekammern umgesetzt werden, so- wie eine Broschüre für Ärzt*innen und eine mehrsprachige Informati- onsbroschüre für Patient*innen. Zusätzliche Informationen, Downloads und Bestellmög- lichkeiten finden Sie unter www.aids.at/einfachtesten Arzt im Ländle 07/08-2021 | 17

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