AiL Juni 2021
C E T E R U M Auch wenn sich die Pandemie definitionsgemäß auf die weltweite Ausbreitung einer Infektionserkrankung bezieht, fokussiert sich dieser Bericht primär auf die Erfahrungen in Österreich. Im Rückblick waren die Prognosen für unser Bundesland bzw. Österreich vor der ersten Welle außerordentlich bedrohlich – für Vorarlberg wurden im März vergangenen Jahres 875 statio- näre Covid-19-Patienten, davon 455 mit schweremVerlauf und 105 intensivpflichtige Patienten mit Notwendigkeit einer Beat- mung prognostiziert. Diese Zahlen waren aufgrund der Ereig- nisse in der Lombardei und der Eskalation der medizinischen Versorgung in Bergamo Anfang bis Mitte März 2020 durchaus glaubwürdig. Daher war der radikale Lockdown in allen Lebensbereichen verständlich und wurde von der Bevölkerung mitgetragen. Das Ergebnis war in Österreich im internatio- nalen Vergleich sehr erfolgreich mit einer maximalen 7-Tages- Inzidenz von ca. 750/100.000 Ende März. Diese rasche und entschlossene Reaktion aller medizinischen und politischen Akteure, die Zusammenarbeit und Kreativität zur Bewältigung der Bedrohung führte zu einer deutlichen Entspannung über den Sommer. Die trügerische langsame Normalisierung des Lebens führte erwartungsgemäß zur zweiten Welle mit zuneh- mender Inzidenz ab September und einem Maximum Mitte November mit einer 7-Tages-Inzidenz von ca. 7.450/100.000, nicht gut im internationalen Vergleich. Der notwendige Lock- down trat spät auf Drängen der Intensivmediziner ab Anfang November ein. Bis Ende Jänner 2021 sank die Inzidenz auf etwa 1.350/100.000 und stieg dann erneut zur 3. Welle an, die Ende März mit 3.282/100.000 den Höhepunkt erreichte und zuletzt auf 476/100.000 sank (Redaktionsschluss). Das GÖG berichtete am 28. Mai 2021 über die Situation auf den Intensivstationen. Bei einer Gesamtkapazität von 2.057 ge- meldeten Intensivbetten für Erwachsene waren am Höhepunkt der ersten Welle (8.4.2020) 267, der zweiten Welle (26.11.2020) 714 und der dritten Welle (12.4.2021) 615 Intensivbetten be- legt. Von den 6.373 Patientinnen und Patienten mit intensiv- medizinischer Behandlung sind bis Ende März diesen Jahres 2.358 bzw. 37 % verstorben. Von allen mit Covid-19 verstorbe- nen Patientinnen und Patienten sind dies 26 %, auf der Nor- malstation sind 54 % und 20 % sind außerhalb der Kranken- häuser verstorben. Die Wirksamkeit der Impfung zeigt sich deutlich am sinkenden Alter der Erkrankten. Die gemachte Erfahrung zeigt, dass ein entschlossener Lock- down, der von der Bevölkerung mitgetragen wird hoch wirk- sam in Bezug auf die Covid-19-Erkrankung ist. Die Dauer der Pandemie führt jedoch zu Ermüdungserscheinung mit nach- lassender Disziplin bei verständlichem Bedürfnis nach Norma- lisierung des Wirtschafts- und Berufslebens, des Sport- und Kulturlebens sowie der Freizeitaktivitäten. Soziale und psychi- sche Defizite zeigen sich vor allem bei Kindern und Jugendli- chen, aber auch der Lebensstil eines Großteils der Erwachsenen führt zu notwendigen Korrekturen bei Präventionsberatungen. Die steigende Impfbereitschaft der Bevölkerung ist erfreulich. Laut aktuellen Umfragen wollen sich über 70 % impfen lassen, von ca. 22 % wird die Impfung derzeit abgelehnt, diese Rate hat sich im letzten halben Jahr halbiert. Ihr Präsident OMR Dr. Michael Jonas Verlauf, Kenntnisse und Erfahrungen aus der SARS-CoV2-Pandemie in Österreich Arzt im LändLe 06-2021 | 3
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