AiL Juni 2021

Projekt: Palliative Care und Hospizkultur zuhause Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein zentrales Element in der palliativen Versorgung, so sind auch wir Hausärzte mit den Anliegen und Zielen dieses Projekts verbunden. Wir, Dr. Siegfried Hartmann und Dr. Karin Siegel-Walser, delegiert von der Ärztekammer, sind im Steuerungsbeirat des Projekts vertreten. Wie das Fallbeispiel anschaulich zeigt, ist Palliative Care eine wichtige Aufgabe für uns ÄrztInnen für Allgemeinmedizin. Wir be- grüßen daher die Anstrengungen der Hauskrankenpflege, das ohnehin schon hohe Niveau der Palliative Care und Hospizkultur zu verbes- sern. In den letzten Jahren haben sich in vielen Sprengeln individuelle Formen der Zusammenarbeit mit der Krankenpflege entwickelt. Neben akutem, situations- und patientenbezogenem, meist tele­ fonischem Informationsaustausch, gibt es in vielen Orten regelmäßige Patientenbesprechungen. Inzwischen können diese Leistungen auch abgerechnet werden. Von vielen Kolleginnen und Kollegen hören wir, obwohl es sich um eine weitere Aufgabe in unserem dichtgedrängten Arbeitsalltag han- delt, wie diese Besprechungen auf längere Sicht arbeitserleichternd und bereichernd sind. Ein gemeinsames Infoblatt kann zur einfachen Kom- munikation bei Hausbesuchen dienen. In schwierigen, komplexen Situationen sind gemeinsame Hausbesuche von Ärzt*innen und Kran- kenpflege eine Möglichkeit, zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen. Alle sind sich bewusst, wie organisatorisch aufwändig solcheTreffen sind. Eine Erleichterung bietendie im letzten Jahr deutlich erweiterten teleme- dizinischen Möglichkeiten. Entweder Ärzt*in oder Krankenpfleger*in nehmen via Mobiltelefon oder Tablet an einer Besprechung teil. Der Respekt des Patientenwillens ist ein wichtiger Aspekt moderner Medizin, ganz besonders der Palliative Care. Um diesem gerecht wer- den zu können, wurde die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht entwickelt. Doch oft sind hochbetagte Patient*innen damit überfor- dert. Ein Gespräch mit dem Hausarzt oder der Hausärztin über die Vorstellungen der Behandlung bei einer krisenhaften Verschlechterung ist eine gute Möglichkeit, den Patientenwillen zu ergründen. Das Ergebnis dieses Gesprächs sollte im nun landesweit empfoh- lenen Plan für Krisen und Notfälle niedergelegt werden. Diese Pläne haben sich in den letzten Jahren in den Pflegeheimen etabliert und bewährt. Nun soll auch Menschen, die zu Hause gepflegt werden, diese Möglichkeit gegeben werden. Besprochen wird zum Beispiel: Soll eine Reanimation durchgeführt werden? Wünschen Sie bei einer krisen- haften Entwicklung lieber zu Hause oder im Krankenhaus betreut und behandelt zu werden? Bei kognitiv beeinträchtigten Patient*innen können wir versu- chen, den mutmaßlichen Willen zu erfassen. Gerade Hausärzte, ken- nen nach langjähriger ärztlicher Betreuung aus den vielen früheren Gesprächen ihre Einstellung. Geplant ist, diese gesammelten Informationen in der „Gelben Mappe“ zusammen mit anderen wichtigen Gesundheitsunterlagen, dem aktuellen Medikamentenplan und letzten Arztbriefen, abzule- gen. Diese Mappe wird von der Krankenpflege den Patient*innen zur Verfügung gestellt. Sie ist im Besitz der Patient*innen und somit sollte es keine datenrechtlichen Probleme geben. In einer Krise hätten alle Beteiligten einen raschen Zugang zu den wichtigen gesundheitsrele- vanten Informationen. Wir wünschen allen Beteiligten einen guten Erfolg für das Projekt und sichern unsere Unterstützung im Sinn einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit zumWohl unserer gemeinsamen Patient*innen zu! Dr. Siegfried Hartmann Dr. Karin Siegel-Walser Aktuelles Fallbeispiel COVID-19 Patient Herr K., 89 Jahre alt, wird in der Ordinati- on positiv auf COVID-19 getestet. Auch seine Gattin erhält dieselbe Diagnose. Der ältere Herr wirkt verkühlt, grippig, hustet leicht, und hat gerötete Augen. Ansonsten sind beide Patienten altersent- sprechend in sehr gutem Allgemeinzustand. Bei Herrn K. besteht noch ein leichter Diabetes, ein Vorhofflimmern, eine arterielle Hypertonie. Herr K. wird immer schwächer, die Sauer- stoffsättigung fällt ab und daher wird eine Einliefe- rung ins Krankenhaus besprochen, jedoch möchte Herr K. zuhause bleiben. Diesem Wunsch wird in Absprache mit der (Groß-)Familie entsprochen. Es wird mit einer Cortison-Therapie (oral und inhalativ) begonnen, dennoch werden die Werte nicht besser. Es wird Heimsauerstoff bestellt, der für Erleichterung sorgt. Die Gattin ist mittlerweile gesund. 12 Tage nach der der Diagnose ist der Patient sehr schwach, kann kaum mehr selbstän- dig zur Toilette gehen. Die Hausärztin nimmt Kontakt mit dem Kran- kenpflegeverband auf, bereits am kommenden Tag ist eine Krankenschwester vor Ort und unterstützt die Angehörigen mit der Pflege daheim. Täglich werden Telefonate geführt, es wird angeregt einen schriftlichen Palliativplan zu beginnen. Ein Großteil der Medikamente wurde schon im Vorfeld redu- ziert bzw. abgesetzt. Bei liegender Venenkanüle hängt auch die Krankenschwester gelegentlich Vi- tamininfusionen an. Zusätzlich wird ein Harnkathe- ter notwendig und es kommt niedrigdosiert Mor- phin zum Einsatz. Tägliche Visiten durch die Krankenschwester und auch durch die Hausärztin finden statt. Friedlich, ohne wesentliche Dyspnoe oder Agi- tationszustände, verstirbt der Patient in best pallia- tiv care Situation am Tag 16 im häuslichen Umfeld. Dr. Karin Siegel-Walser und Dr. Siegfried Hartmann Arzt im Ländle 06-2021 | 15

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