AiL April 2021

Pollenallergie: immer komplexer und vielfältiger B ei einer Pressekonferenz des Pollenwarndienstes der MedUni Wien Mitte März gaben die ExpertInnen der MedUni Wien gemeinsam mit der Informa- tionsplattform IGAV (Interessens- gemeinschaft Allergenvermeidung) Entwarnung für die heurige Pollen- saison: Der Pollenflug scheint un- terdurchschnittlich zu werden. Für Menschen, die unter dem Blütenstaub von Hasel, Erle, Birke & Co leiden, ist der Frühling so- wohl Freud als auch Leid. Durch den Kälteeinbruch im Jänner ver- zögerte sich die Blüte von Hasel und Erle um zwei Wochen. Die Frühblüher haben ihre Belastungs- spitze inzwischen überschritten und für eine durchschnittliche Sai- son gesorgt. Die nächste Belas- tungswelle folgt mit der Esche, de- ren allergologisches Potenzial oft unterschätzt wird. „Ihre Blüte hat bereits begonnen und wird heuer voraussichtlich weniger intensiv als im langjährigen Schnitt ausfallen“, sagt Uwe E. Berger, Leiter des Ös- terreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien. Ähnlich gut schaut es mit dem Pollenflug der Birke aus: „Die Birke hat ein biolo- gisches Muster: einer schwächeren Saison folgt eine starke. Dieses Muster hat der Alleebaum mit zwei intensiveren Saisonen 2019 und 2020 seit langem das erste Mal wie- der unterbrochen. Für heuer ist da- mit eine eher unterdurchschnittli- che Saison in ganz Österreich zu erwarten.“ Die Fragestellungen rund um Pollenallergien werden immer komplexer. Ihre Vielfalt nimmt zu, Klimaveränderung und Umweltfaktoren tun ihr Übriges. Antworten auf viele dieser Fragen liefert die Forschungsarbeit an der Medizinischen Universität Wien. Sie ist auch Basis für die kostenlosen Services des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien. Zunehmende Vielfalt Pollenallergien nehmen zu und werden immer vielfältiger. „Wir sind heute beinahe das ganze Jahr über mit Allergenen konfrontiert, die zum Teil vor einigen Jahren noch gar nicht als Allergie-Auslöser bekannt waren“, beschreibt Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pa- thophysiologie und Allergiefor- schung an der MedUni Wien und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI), die heuer ihren 50. Geburtstag feiert. Die al- lermeisten ExpertInnen der IGAV sind übrigens auch ÖGAI-Mem- bers. So stehen in den österreichi- schen Gärten vermehrt exotische Pflanzen wie Oliven- und Feigen- bäume oder die japanische Zeder, die hohes allergenes Potenzial ha- ben und aufgrund der Klimaerwär- mung auch in unseren Breiten im- mer besser gedeihen. Apropos Klimaerwärmung: Der Luftschadstoff Ozon trägt bekann- termaßen maßgeblich zum Klima- wandel bei, hat aber auch direkten Einfluss auf das allergische Gesche- hen. „Aktuelle Forschungsergebnis- se zeigen, dass das Reizgas unab- hängig von der Menge an Pollenkörnern in der Luft die Sym- ptome vor allem bei Gräser- und Birkenpollenallergikern verschlech- tert“, informiert Markus Berger, Mitarbeiter des Österreichischen Pollenwarndienstes und warnt: „Die Belastung muss trotz schwä- cherem Pollenflug daher nicht un- bedingt als gering empfunden wer- den. Auch wenn der Pollenflug sehr plötzlich einsetzt, können die Belas- tungen als stark erlebt werden.“ Zur gärtnerischen Vielfalt im Konzert mit der Klimaveränderung sowie der Luftverschmutzung kommt das Phänomen der Kreuz- reaktionen. Jensen-Jarolim erklärt: „Das bedeutet, ein Allergiker bzw. eine Allergikerin reagiert nicht nur auf ein Allergen aus einer Allergen- quelle, sondern kann auch gegen strukturell ähnliche Allergene in anderen Pflanzen oder bestimmten Nahrungsmitteln sensibilisiert sein.“ Diese neue Vielfalt muss auch getestet werden können. „Heute erlauben moderne Tests mit sehr vielen Allergenen, eine präzise Diagnose vorzunehmen. Mit dieser sogenannten molekula- ren Allergiediagnostik können auch Sensibilisierungen gegen sel- tene Pollen identifiziert und mögli- che komplexe Kreuzreaktionen ausgeforscht werden“, sagt die All- ergie-Expertin. Abgestimmt mit den berichteten Beschwerden und den Ergebnissen eines Hauttests können personalisierte Empfeh- lungen zur Allergenvermeidung, symptomatischen Therapie und ganz besonders zur allergenspezifi- schen Immuntherapie punktgenau eingesetzt werden. Forschung ist Wegbereiter für Pollen-Services Die Erkenntnisse aerobiologischer und medizinischer Forschungsar- Ärztekammer Vorarlberg www.arztinvorarlberg.at aus der MEDI Z IN 24 | Arzt im Ländle 04-2021

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