AIL Oktober 2020

D enn es stellt sich immer wieder die gleiche Fra- ge: „Inwieweit können Patienten den Apps und Websei- ten glauben schenken?“. Dem In- ternet sollte man schon aus Da- tenschutzgründen seine Gesund- heit nicht einfach so anvertrauen, denn nicht hinter jedem Algorith- mus steckt ein vertrauenswürdiger Anbieter, warnen Michella G. Hill von der Edith Cowan University im australischen Perth und Kollegen. Diagnosewebsites und -apps hät- ten zusätzlich die Tendenz, zu viele Patienten ins Krankenhaus zu schi- cken. Neben dem Erstellen von Di- agnosen bietet KI den Nutzern eine Einschätzung der Dringlichkeit an: Reicht es, sich in den nächsten Ta- gen um einen Termin beim Haus- arzt zu kümmern oder muss der Betroffene schnellstmöglich in die Notfallambulanz? Die zumeist privaten Betrei- ber wollen in Abwesenheit echter Ärzte wohl lieber nichts anbren- nen lassen: Zu 51 % führten sol- che Hinweise in die Irre, haben die Wissenschaftler bei der Ana- lyse von 36 web- oder smartpho- ne-basierten Symptomcheckern ermittelt. Getestet wurde mit fast 700 fiktiven Patienten. Nur 60 % der angeblichen Notfälle hätten auch die Studienautoren als solche eingestuft. Alle übrigen „Testper- sonen“ wurden sogar nur bei 30– 40 % der Anfragen an die richti- ge Stelle verwiesen. Solche Fehler drohen unnötig medizinische Res- sourcen zu binden. Nicht besonders klug stellte sich die Künstliche Intelligenz auch bei der Diagnosefindung an. Ihr erster Vorschlag nach Analyse der einge- gebenen Stichworte (1.170 fiktive Symptombeschreibungen) war in 64 % der Fälle falsch. Schaute man etwas großzügiger hin und unter- suchte die Chance, zumindest mit einer der drei ersten Diagnosen richtig zu liegen, gab es zumindest eine 50:50-Chance. „Es mag sehr verführerisch sein, im Internet die Ursache für die ei- genen Beschwerden zu suchen“, wird Michella Hill in der begleiten- den Pressemitteilung zitiert. „Aber meistens wird das Ergebnis besten- falls unzuverlässig und schlimms- tenfalls sogar gefährlich sein.“ So Webbasierte Symptomchecker führen viele Patienten in die Irre 70.000 Gesundheitsfragen googelt die Menschheit jede Minute. Neben Suchmaschinen versprechen auch Apps den Laien zunehmend, die richtige Diagnose zu ihren Symptomen zu finden. Eine australische Studie zeigt, dass Patienten damit sehr vorsichtig sein sollten. schien es, dass manchmal zu viele Stichworte den Algorithmus ver- wirrten und dadurch überhaupt keine Diagnose vorgeschlagen wur- de, z.B. die Kombination „Brust- schmerz, Schwitzen und Kurzat- migkeit“ bei einem Herzinfarkt im Vergleich zu Brustschmerz alleine. Sinnvoll für Infos, wenn die Di- agnose bereits feststeht. Das Problem ist ihrer Meinung nach, dass die Algorithmen nie den Patienten in seiner Gesamtheit ein- schließlich Vorgeschichte und des gesamten Symptomkomplexes be- trachten. Zudem kommen Sym- ptomchecker oder entsprechende Apps, die in der Regel nicht als me- dizinische Anwendungen gezählt werden, weitestgehend unreguliert auf den Markt. Eine Aufgabe billigt die Autorin ihnen jedoch zu: Zu- sätzliche Hintergrund-Informatio- nen liefern, wenn die Diagnose ei- nes realen Arztes bereits steht. Quelle: hill MG et al. Med J Aust 2020; DOI: 10.5694/mja2.50600 ÄRZTE & ÄRZTINNEN IN VORARLBERG Die offizielle Facebook-Gruppe der Ärzteschaft Vorarlberg. Beitreten und immer auf dem aktuellsten Stand sein! ARzT IM LÄNDLE 10-2020 | 21

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY1NjQ=