AIL März 2020

AUS DER KAMMER Das Genfer Gelöbnis als Grundlage für ethisches Handeln in der Medizin D er Weltärztebund (World Medical Association = WMA) ist ein Zusammen- schluss von nationalen ärztlichen Standesvertretungen (aktuell 114), die sich 1948 unter dem Eindruck massiver Menschenrechtsverlet- zungen durch Ärztinnen und Ärzte im NS-Regime (Stichwort Euthana- sie und Menschenversuche an In- sassen der Konzentrationslager) unter anderem der Festschreibung von medizin-ethischen Standards weltweit verschrieben hat. So wur- den vom Weltärztebund in der De- klaration von Helsinki ethische Standards für medizinische Studien festgeschrieben worden und es wurde ein Handbuch der Ethik zur Vermittlung ethischer Standards weltweit zusammengestellt, dass in diversen Sprachen übersetzt auch online abrufbar ist. Die aktuelle Fassung der Dekla- ration von Genf wurde auf der 68. Vollversammlung es Weltärztebun- des in Chicago 2017 verabschiedet und enthält einige wesentliche Neu- erungen: Der Sprachduktus wurde vereinfacht, die Autonomie des Pa- tienten erhält eine zentrale Stellung, der wertschätzende Umgang mit Lehrern, Kollegen und Schülern er- Das Genfer Gelöbnis (auch „Deklaration von Genf“ genannt) ist eine von den Delegierten des Weltärztebundes erarbeitete ethische Grundsatzerklärung für klinisch tätige Ärzte weltweit. setzt die hierarchische Schüler-Leh- rer Struktur, der Wissenstransfer wird berücksichtigt und auch die Gesundheit und das Wohlergehen der Ärztinnen und Ärzte sind von Bedeutung. Die Deklaration von Genf ist kein „Kochrezept“ mit klaren An- weisungen „wenn A erfüllt ist folgt B“. Das Genfer Gelöbnis ist kein Gesetz und Verstöße gegen die De- klaration von Genf ziehen nur dann eine Strafe nach sich, wenn gegen nationale Gesetze verstoßen wird. Diese medizinethische Grund- satzerklärung von Ärzten für Ärzte vermittelt vielmehr grundsätzliche ethische Werte und eine Haltung, die Orientierung in schwierigen Si- tuationen geben kann. Wie ein Leuchtfeuer einem Schiff in tosen- der See bei Nacht eine Navigations- hilfe ist, die bei Tag, guter Sicht und ruhiger See vom Kapitän eines Schiffes nicht wahrgenommen wird. Die Entscheidung, ob und auf welchem Kurs die Untiefen zu um- schiffen sind, welcher Hafen ange- laufen wird und ob ein Lotse an Bord genommen wird, trifft der Ka- pitän eigenständig. Das (Werte-) System, in dem der jeweilige Arzt praktiziert, ist da- bei zu berücksichtigen: in einem autoritären System, in welchem be- stimmte Minderheiten (z. B. auf- grund Ihrer Religion, Rasse oder politischen oder sexuellen Orientie- rung) diskriminiert werden, wird es Ärztinnen und Ärzten schwerer fal- len, ihre Patientinnen und Patien- ten NICHT zu diskriminieren. In einem System, in dem die Arbeits- zeiten und die Belastung am Ar- beitsplatz relativ wenig reguliert werden, können Ärztinnen und Ärzte eher in einen Erschöpfungs- zustand bis hin zur Depression und Suizidgefährdung geraten. Daher ist die Haltung der De- klaration von Genf nicht nur eine ethische Leitlinie für Ärztinnen und Ärzte, sondern auch ein Aufruf an alle Menschen für Rahmenbedin- gen einzutreten, die ein Handeln nach diesen ethischen Leitlinien er- möglichen. Nachfolgend habe ich die ein- zelnen Abschnitte der Deklaration von Genf (fettgedruckt) um bei- spielhafte Stichworte ergänzt, die den aktuellen Bezug hervorheben sollen. Diese Stichworte erheben keinen Anspruch auf Vollständig- keit! Dr. Michaela Ranta ☞ Arzt im Ländle Ausgabe 2019-07+08 Inserat Kollmann Variante 2B 1/4 Seite – 4c 190 x 61,25 mm Das Versicherungsbüro für den Arzt im Ländle Kollmann-Versicherungsmakler GmbH Ardetzenbergstraße 6b • 6800 Feldkirch Telefon 05522 22868-12 www.kollmann-versicherungsmakler.at 8 | ARZT IM LÄNDLE 03-2020

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