AIL März 2020

Wie beurteilen Sie die Teilzeitbeschäftigung von Ärztinnen und Ärzten? Ich sehe das positiv und absolut notwendig, um auf Bedürfnisse von ÄrztInnen einzugehen, sei es nun für junge Väter und Mütter oder auch im Bereich des alternsgerechten Arbeitens. Wie in allen Berufen sollten sich aber insbesondere Frauen bewusst sein, dass langes Arbeiten in ge- ringer Teilzeit negative Auswirkungen auf die Höhe der Pension hat. Wie können Versorgungsprobleme wie z.B. lange OP-Wartezeiten vorsorglich verhindert werden? Wir werden das nie ganz verhindern können, aber durch gutes Monito- ring zumindest stark mindern können. Wir brauchen dafür neben der entsprechenden Infrastruktur ausreichend ausgebildete ÄrztInnen, da- für müssen beispielsweise auch die Fallzahlen in den Abteilungen pas- sen. Dies betrifft natürlich alle Gesundheitsberufe, insbesondere auch die Pflege mit ihren Spezialisierungen, z.B. der OP-Pflege. Auch neue Ausbildungen, wie der OTA, können uns helfen. Am Ende müssen wir generell darauf achten, dass Arbeiten in Gesundheitsberufen attraktiv für junge Menschen bleibt und neben allen Herausforderungen in Ge- sundheitsberufen auch die positiven Seiten der Berufe darstellen. Man spricht von einem Ärztemangel, vor allem im Landarztbereich – wie reagieren Sie darauf? Auch die demografische Entwicklung betrifft alle Berufsgruppen – im- mer mehr ältere Menschen stehen immer weniger jungen Menschen ge- genüber. Wir müssen also generell das Arbeiten im Gesundheitsbereich besser bewerben, damit sich junge Menschen überhaupt dafür entschei- den. In diesem Zusammenhang ist mir wichtig, dass wir in der Kom- munikation nicht immer nur von Überforderung, Mangel und Not- stand sprechen, sondern auch die schönen Seiten der Berufe erwähnen – warum sollten sich ansonsten junge Menschen für diese Berufe ent- scheiden? Aber selbstverständlich gilt es Herausforderungen zu sehen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Lehrpraxen, neue Aus- bildungsformen, verstärkte Netzwerke im niedergelassenen Bereich, In- formationsangebote uvm. werden wir gemeinsam mit Ärztekammer und Sozialversicherungen weiter ausbauen. Und auch die Gemeinden sind hier wichtige PartnerInnen. Über allem steht aber auch eine gute Patienteninformation und – lenkung. PatientInnen sollen die hohe Qualität einer breiten und wohnortnahen Versorgung durch unsere HausärztInnen nützen – auch hier gibt es Anreizmodelle, wie freiwillige Einschreibmodelle, die wir zusammen entwickeln und ausbauen können. Ansprechen möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch das Medizinstudium. Wir überarbeiten derzeit die Vorbereitungskurse auch inhaltlich, damit hoffentlich noch mehr Interessierte aufgenom- men werden. Es gilt aber auch am anderen Ende der Kette dafür zu sor- gen, dass junge ÄrztInnen nach Vorarlberg kommen und nicht nach Deutschland und in die Schweiz abwandern. Auch hier sind wir noch stärker gefordert. Was wird auf die Vorarlberger ÄrztInnen zukommen? Demografische Entwicklungen, der Trend der Digitalisierung und lau- fende Veränderungen in Organisationen und Finanzströmen erreichen natürlich auch die Ärzteschaft. Ich bin davon überzeugt, dass sich Rah- menbedingungen verändern werden – wir müssen es aber gemeinsam schaffen, dass das Arbeiten als Ärztin bzw. Arzt im Spital und in der Niederlassung überwiegend Freude macht. Keine organisatorische oder Kommunikationsmaßnahme ist besser, als wenn ÄrztInnen selbst ein positives Bild von ihrem Beruf zeichnen. Was erwarten Sie sich von der Ärztekammer? Ich habe die Verantwortlichen als starke, zielgerichtete und konstrukti- ve InteressensvertreterInnen für ihre Berufsgruppe kennengelernt und schätze das hohe Fachwissen und die lösungsorientierte Arbeit. Wir sit- zen hier „in einem Boot“ und werden als Partner gut zusammenarbei- ten – ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit! 2020 startete die ÖGK, was bedeutet die Zusammenlegung der Kassen aus Ihrer Sicht für Vorarlberg? Ich sehe in der Zusammenlegung der Kassen grundlegend Vorteile, aber es wird unsere Aufgabe sein, darauf zu achten, dass wir für Vorarlberg die bestmögliche Situation sicherstellen, und zwar für die Bevölkerung und für die Ärzteschaft. 2020 ist ein wichtiges Jahr, in dem noch viele Weichenstellungen erfolgen – wir sind auf Landes- und auf Bundesebe- ne in gutem Austausch mit den Verantwortlichen – wenn wir gut agie- ren, wird uns viel gelingen. Es gibt auch auf Bundesebene eine neu gewählte Regierung – welche Neuerungen sind zu erwarten? Ja, auch ich bin gespannt auf den neuen Gesundheitsminister, sehe aber die Zusammenführung von Sozialem und Gesundheit grundsätzlich positiv. Das neue Regierungsprogramm greift viele Punkte auf, die auch auf unserer Agenda im Land stehen: Prävention und Gesundheitsförde- rung haben einen hohen Stellenwert, für PatientInnen wird weiter an einer abgestuften, flächendeckenden und wohnortnahen Gesundheits- versorgung in hoher Qualität gearbeitet. Dafür sollen die Allgemeinme- dizin aufgewertet werden und Facharztoffensiven für KinderärztInnen, AugenärztInnen und Kinder- und JugendpsychiaterInnen gestartet werden. Spannend könnten Einschreibemodelle für PatientInnen sein – eine gute Basis für die Versorgungspyramide und eine Stärkung der HausärztInnen. Wie können Vorarlberger Gesundheitsinteressen durch Sie in Österreich gewahrt und durchgesetzt werden? Wir in Vorarlberg stellen 4,4 % der österreichischen Bevölkerung dar – sind also nicht gerade das größte Bundesland. Dennoch sind wir öster- reichweit bestens vernetzt und viele innovative Projekte kommen gera- de aus Vorarlberg: unsere AkteurInnen kennen sich, bei Herausforde- rungen setzt man sich an einen Tisch und sucht gemeinsame Lösungen. Ich werde mich jedenfalls mit voller Kraft dafür einsetzen, dass Vorarl- berger Interessen berücksichtigt, gute Projekte ermöglicht und unter- stützt werden und mich in allen bundesweiten Gremien aktiv – und wenn es sein muss auch lautstark – einbringen. Wie sehen Sie mittlerweile den Gesundheitsbereich und Ihre Arbeit: Es ist eine spannende Herausforderung, die nie „abgeschlossen“ sein wird, aber das Arbeiten in diesem Bereich ist erfüllend und sinnvoll – ich freue mich jeden Tag auf die gemeinsame Arbeit für die Gesundheit der Bevölkerung mit allen SystempartnerInnen! Vielen Dank für das Gespräch! Ihr Präsident MR Dr. Michael Jonas ÄRZTE & ÄRZTINNEN IN VORARLBERG Die offizielle Facebook-Gruppe der Ärzteschaft Vorarlberg! Beitreten und immer auf dem aktuellsten Stand sein!

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY1NjQ=