AIL März 2020
C E T E R U M Medizin wird weiblich – wie reagieren Sie darauf? Wir spüren in allen Berufsgruppen, dass junge Mütter und Väter sich auch Zeit für ihre Kinder und Partnerschaft nehmen wollen – und das ist ja auch richtig. Es gilt, diese Wünsche ernst zu nehmen und da- rauf zu reagieren. Viele Angebote ermöglichen das bereits heute: Job- Sharing, die Anstellungsmöglichkeit von ÄrztInnen, PVE-Netzwerke und Zentren, etc. Zudem brauchen wir einen verstärkten Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen in hoher Qualität und auch das neue Bereitschaftsmodell, in das sich ÄrztInnen online eintragen können, bringt Verbesserungen. Wir stehen hier aber erst am Anfang und wer- den ständig weitere gute Lösungen entwickeln müssen. Die Ärzteausbildung erfolgt mit Ausnahme der Lehrpraxis für Allgemeinmedizin ausschließlich intramural und wir haben Nachwuchsprobleme sowohl intra- als auch extramural. Wie kann der Ausbildungsauftrag der Krankenhäuser aus reichend Nachwuchs sowohl für die intra- als auch die extra murale Versorgung sicherstellen? Wie vermittelt das Land Vorarlberg den Primarärztinnen und -ärzten deren Verpflichtung auch für den niedergelassenen Bereich sicherzustellen? Die Frage nach der ausreichenden Nachbesetzung im intra- und extra- muralen Bereich wird aus meiner Sicht nicht alleine die Ausbildung lö- sen. Durch die Alterspyramide haben wir einfach immer weniger junge Menschen, die in allen Berufsgruppen dringend gebraucht werden. Ge- sundheitsberufe müssen daher für junge Menschen attraktiv bleiben. Die Ausbildung der Ärzteschaft erfolgt in enger Kooperation zwi- schen den Krankenhäusern und der Ärztekammer. So legt die Ärzte- kammer nicht nur die maximale Anzahl an Ausbildungsstellen pro Fach fest, sie definiert auch sämtliche Ausbildungsinhalte, hat die Möglichkeit, Lehr- und Lernzielkataloge festzulegen und ist zuständig für die Anerkennung von Ausbildungen, die in anderen Staaten erwor- ben wurden. Freilich ist auch die aktuelle Ärzteausbildungsordnung 2015 in enger Kooperation mit den Ärztekammern entstanden und sind alle Ärzte, auch die Primarärzte, Mitglied der Ärztekammer. Dass in den Spitälern ausgebildet wird, stellt sicher, dass das notwendige Fachwissen in allen Fachrichtungen erlernt werden kann und ermög- licht ÄrztInnen auch die freie Wahl, ob sie später im intra- oder extra- muralen Bereich arbeiten wollen. Es braucht aber sicher eine noch stärkere Kooperation zwischen bei- den Bereichen. Das beginnt bei der Ausbildung – die verpflichtende Lehrpraxis in der Allgemeinmedizin ist ein erster wichtiger Schritt. Ebenfalls braucht es aber auch im extramuralen Bereich attraktive Rah- menbedingungen, die eine gute Work-Life-Balance ermöglichen. Die Ärztekammer hat gemeinsam mit den Sozialversicherungen dafür be- reits wichtige Schritte gesetzt, wie z.B. das (erweiterte) Jobsharing oder das Mentoring. Auch PVEs, insbesondere Zentren, in denen leichter in Teilzeit und im Team gearbeitet werden kann, oder das Anstellungsverhältnis für ÄrztInnen helfen. Wir werden gemeinsam beobachten, wie diese Maßnahmen grei- fen und bei Bedarf nochmals verstärken. In den Spitälern ist völlig klar, dass auch für den niedergelassenen Bereich ausgebildet werden muss. In der KHBG wurde eine umfassende Ausbildungsof- fensive gestartet und ein Ausbildungsbei- rat sowie ein train-the-trainer-Pro- gramm installiert. Wir wissen aber von TurnusärztInnen, dass sie in manchen Fachrichtungen nicht alles vertieft erler- nen, begleitet von Aussagen wie „Das wirst du im niedergelassenen Bereich ja nicht brauchen“. Das darf selbstverständ- lich nicht sein und wir werden das auch klar vermitteln. Es ist aber auch nur ein Teil der ständig notwendigen Verbesserung in der Ausbildung von Me- dizinerInnen – das beginnt beim Aufnahmeverfahren und hört bei der Begleitung und Unterstützung von ÄrztInnen in Turnus- oder Grund- oder Spezialausbildung auf. Auch die geltende Ärzteausbildungsord- nung 2015 sollte evaluiert werden – z.B. macht die 9-monatige Basis ausbildung Sinn oder könnte sie nicht besser in das KPJ integriertund damit die Ausbildungsdauer verkürzt werden? Generell sollten bereits StudentInnen verstärkt in Kontakt mit ÄrztInnen im niedergelassenen Bereich kommen, z.B. durch Schnup- perangebote – je früher, desto besser. Hier sind sicher auch die ÄrztIn- nen im niedergelassenen Bereich und ihre Fachgesellschaften gefordert, noch aktiver auf StudentInnen zuzugehen. Wie sehen Sie für Spitalsärztinnen / -ärzten die Einräumung einer Nebenbeschäftigung imniedergelassenen Bereich? Auch das zählt für mich zur verstärkten Kooperation zwischen intra- und extramuralem Bereich. Es muss aber sichergestellt sein, dass das Arbeitszeitgesetz im Spital eingehalten werden kann und auch bei zwei Tätigkeiten „der Kopf frei ist“ für den jeweiligen Einsatzort. Schwierig wird es für mich in Fächern, in denen wir bereits im intramuralen Be- reich aufgrund von zu wenigen ÄrztInnen sehr lange Wartezeiten ha- ben. Hier werden wir mit Nebenbeschäftigungen sicher zurückhalten- der sein. Und dann stellt sich für mich auch noch die Frage, ob bei Ne- benbeschäftigungen nochmals Abstufungen für einen Einsatz in Kas- senstellen oder Wahlarztpraxen gemacht werden sollten. Unser gemein- sames Ziel sollte es ja in erster Linie sein, Kassenstellen nachzubesetzen. Solche Schritte werden wir aber gemeinsam entwickeln. Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher, MBA und MSc im Interview – Teil 2 Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher, MBA und MSc, von 2014-19 ÖVP- Abgeordnete zum Landtag, Gesundheitssprecherin und zweite Vizepräsidentin des Landtages ab 2018 ARZT IM LÄNDLE 03-2020 | 3
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